24.9.23

Kompromissland Deutschland

Ein wesentlicher Faktor in unserem, seit 1949 andauernden Sozialen Frieden in der Bundesrepublik ist der Kompromiss.

Wie ich bereits hier einmal schrieb, gibt es in der politischen Debatte in Deutschland selten einen Konsens. Es gibt aber, andererseits, auch keine großen, langwierigen Konflikte. Wenn beispielsweise eine Gewerkschaft, wie die der Lokführer vor einigen Jahren, streikt und den Verkehr lahmlegt, ist das in Deutschland eine Ausnahmeerscheinung.

Die Zielkonflikte zwischen den derzeitigen Koalitionspartnern in Berlin sind ein gutes Beispiel für eine politische Kultur, die auf Interessenausgleich setzt. Die Grünen und die SPD haben ein Interesse an sozialen Themen, und ihnen ist Haushaltsdisziplin im Zweifelsfall weniger wichtig. Bei der FDP ist es genau anders herum. Die Union changiert mal in die eine (Merkel), mal in die andere (Merz) Richtung. Je nachdem, ob und mit wem sie regiert, oder ob sie gerade in der Opposition ist.

Es ist damit zu rechnen, dass sich die Parteienlandschaft in absehbarer Zukunft noch weiter zersplittert. Selbst im einst tiefschwarzen Bayern, wo die CSU mal über 60 Prozent holte, sind die Verhältnisse nicht mehr so klar. Umgekehrt ist das einstmals „rote“ Nordrhein-Westfalen heute längst keine Hochburg der SPD mehr.

Problematisch wird es, wenn es Verhältnisse wie derzeit in Thüringen gibt. Im Freistaat sind „far-right“ (AfD) und „far-left“ (Die Linke) die stärksten Parteien. Das heißt, Kompromiss-Koalitionen sind nicht mehr möglich. Nicht mal für Rot-rot-grün, eine GroKo, "Kenia“ oder „Jamaika“ reicht es. Weimar lässt grüßen. Hoffentlich weiten sich diese „Erfurter Zustände“ nicht auf andere Bundesländer aus.

Hoffnung macht das Beispiel Niederlande. Dort sitzen mehr als ein Dutzend Parteien in der „tweede kamer“, dem Parlament. Es gibt für jede denkbare gesellschaftliche Gruppe eine Kleinpartei. Für Linksliberale, für Rechtsliberale. Für progressive Christen, für konservative Christen usw. Auch dort gibt es radikale Kräfte, und auch dort regierte bisher eine bunte Vier-Parteien-Koalition (die übrigens vor Kurzem zerbrach). Aber Alles in Allem funktioniert die Demokratie.

Werden wir niederländische Verhältnisse bekommen? Die Wahlen in Hessen und Bayern werden es zeigen. 

20.9.23

Was wäre, wenn...wir die Ukraine in EU und NATO aufnehmen würden?

Lassen wir bei dieser Frage den Krieg mal weg. Betrachten wir nur die Tatsache, dass die Ukraine möglicherweise EU- und NATO-Mitglied wird.

Dann würden beide Bündnisse bis an die Grenze Russlands reichen. Würde das die Weltlage sicherer machen? Ich glaube: nein.

Die anderen osteuropäischen Staaten konnten erst der EU beitreten, als sie einen Katalog an Forderungen und Reformen erfüllten. Und, offen gesagt, würde man Staaten wie Polen und Ungarn in ihrem derzeitigen Zustand heute auch nicht mehr EU-Mitglieder werden lassen.

Dass die anderen Osteuropäer der NATO beitreten konnten, war ohnehin nur dem Druck der USA zu verdanken. Der fehlt heute, angesichts der derzeitigen innenpolitischen Lage in den Staaten.

Was sollte es also bringen, der Ukraine Sand in die Augen zu streuen, und ihr nach jahrzehntelanger Ignorierung ihrer Interessen zu sagen: Ach, jetzt seid ihr angegriffen worden, jetzt seid ihr Opfer, nun könnt ihr auch in EU und NATO.

So funktioniert das nicht.

13.9.23

Die Krux der Ampel-Regierung

Hier eine Einschätzung zur Situation der Bundespolitik.

Erstmal ist die „Ampel-Koalition“, wie es ein Trierer Politikwissenschaftler formuliert hat, schlichtweg eine ungewöhnliche Koalition. Eine heterogene Drei-Parteien-Regierung, weil aufgrund der Diversifizierung der Parteienlandschaft anders keine Mehrheiten mehr zu erreichen sind.

Die FDP ist rechtsliberal-wirtschaftsnah und regiert mit zwei Parteien, die tendenziell links von der Mitte stehen. Das führt naturgemäß zu Konflikten. Wie jenen, die wir rund um das Gebäudeenergiegesetz und die Kindergrundsicherung gesehen haben. Jene Punkte sind den Grünen wichtig, der FDP aber zu dirigistisch. Schwierig wird es bei also bei den Themen Soziales und Wirtschaft.

Hinzu kommt, dass Grüne und FDP ein Wählerklientel haben, das sich durchaus ähnlich ist: Tendenziell gut ausgebildet, tendenziell gut verdienend, tendenziell modern-reformistisch. Da gibt es also auch Konflikte um die Wählerschaft. In Fragen wie Zuwanderung, Abtreibung, Cannabis-Legalisierung und Selbstbestimmungsgesetz – also in gesellschaftspolitischen Fragen - sind sich die drei Regierungsparteien dagegen weitgehend einig .

Die SPD zögert in Sachen Waffenlieferung an die Ukraine, während ihre beiden kleinen Partner Druck machen. Sie muss diese Koalition bis zum geplanten Wahltag 2025 zusammen halten. Sich zurück halten, und mal dem einen, mal dem anderen Partner Rückendeckung geben.

Viele Menschen sind frustriert und ermüdet. Angesichts von Inflation, Wirtschaftskrise, den Folgen von Corona, Migration, Krieg und Klimawandel. Daher die hohen Zustimmungsraten zur AfD in momentanen Umfragen. Es steht zu erwarten, dass die Rechten bei den anstehenden Landtagswahlen gut abschneiden werden.

Die Union als größte Oppositionspartei kämpft derweil mit einem recht unbeliebten Vorsitzenden und eben jener Konkurrenz von rechts. Wie hält sie’s mit der AfD? Will sie mit denen irgendwo regieren, oder doch mit Grün oder Gelb? Wer wird Kanzlerkandidat? All diese Fragen sind für die Union noch nicht geklärt.

Am linken Rand droht derweil die Spaltung. Die Linke droht, durch die Wahlrechtsreform der „Ampel“ bei der nächsten Bundestagswahl aus dem Parlament zu fliegen. Sarah Wagenknecht liebäugelt seit Langem mit der Gründung einer eigenen Partei. Auch hier scheint ein noch unfertiger Prozess im Gange zu sein.

Wie die nächste Bundestagswahl ausgehen wird, halte ich daher noch längst nicht für ausgemacht. Es sind noch zwei Jahre bis dahin. Das ist in unserer heutigen Mediendemokratie eine lange Zeit.

9.9.23

SATIRE, Teil 3: Letzter Post

Da die KI sowieso alles besser kann, brauchen wir auf dieser Welt auch keine Kreativen mehr.

Deshalb ist das hier mein letzter Beitrag.

Ich verabschiede mich.

War schön mit euch.

Ciao. 

4.9.23

SATIRE, Teil 2: Me and Horst – Warum ich mich mit Horst Schlämmer abgefunden habe.

Horst Schlämmer ist stellvertretender Chefredakteur des fiktiven „Grevenbroicher Tageblatts“. Er ist fest in seiner Heimat verwurzelt, und hält sich für den Größten.

Grevenbroich liegt im Rhein-Kreis Neuss. Das ist die Stadt, in der auch ich geboren wurde.

Als Hape Kerkeling das erste Mal mit seiner Figur über die Mattscheibe flimmerte, konnte ich darüber nicht lachen. Ich war gerade dabei, mich in den Medien zu bewerben. Schlämmer ist provinziell, Alkoholiker, hält sich für den größten Stecher. Und er ist eine Figur, die so lustig ist, dass es weh tut.

Ich muss zugeben, als ich jünger war, dachte ich auch ein wenig wie Schlämmer. Dachte, ich werde so schnell etabliert sein, wie meine Vorbilder es waren.

Die Stadt Grevenbroich fand die Figur Schlämmer lustig. Zeichnete Kerkeling sogar aus. Das zeigt, dass Rheinländer auch über den Karneval hinaus Humor haben.

Ich habe mit Horst Schlämmer meinen Frieden gemacht. Arbeite momentan für eine Zeitung, die auch im Rhein-Kreis Neuss erscheint. Und wenn Außenstehende meinen, ich sei ein provinzieller Alkoholiker – bitte, dann bin ich es halt. Dabei trinke ich kaum Alkohol. (Spoiler: Achtung, Selbstironie! Satire!)

Aber Satire darf bekanntlich alles.


(ERGÄNZUNG, 16.3.24: Na ja, fast alles. 

Aber ob Herr K. mich, meinen Vater oder sonstwen mit seiner Figur meinte, ist dabei ziemlich zweitrangig. 

In jedem Fall ist es ein "Nach unten treten". 

Bloß, weil Herr K., wie viele erfolgreiche Künstler, auf Journalisten herabschaut. Ohne die sie niemals Erfolg hätten.)