Ich hatte an anderer Stelle ja schon einmal vom Thema „Heimat“ geschrieben. Gestern sah ich die „Tagesschau vor 20 Jahren“ von 2004, in der der Regisseur Edgar Reitz wegen seiner „Heimat“-Trilogie vom Land Rheinland-Pfalz ausgezeichnet wurde. Die Laudatio hielt damals Kurt Beck.
Heimat ist für mich da, wo man sich wohl fühlt.
Meine evangelische Mutter fühlte sich im katholischen Rheinland am Wohlsten. Mein katholischer Vater im evangelischen Niedersachsen.
Ich als evangelischer Rheinländer, der im Ruhrgebiet lebt? Diese Frage kann ich nicht so leicht beantworten.
Jedenfalls spielt die Frage, ob man in der Diaspora lebt, bei mir keine große Rolle. Die Bedeutung von Kirchen, aber auch Gewerkschaften und Parteien, geht seit Jahrzehnten zurück. Die Menschen ziehen sich zunehmend ins Private zurück. Zugleich stimmen die Begriffe „gläubig“, „links“ und „rechts“ nicht mehr so recht. Klassische Medien, ob Zeitungen, Zeitschriften, TV oder Radio, verlieren immer mehr an Zuspruch. Die Aufmerksamkeitsökonomie fokussiert sich auf Internet, Smartphone, Streamingdienste und Spielekonsolen.
Die Gesellschaft verändert sich, und ist in einem kontinuierlichen Wandel.
Ich schreibe deshalb gerne darüber, weil ich Sozialwissenschaften studiert habe. Das heißt nicht zwangsläufig, dass ich Gesellschaft deswegen besser einschätzen kann.
Aber wenn ich beispielsweise Folgendes sehe: Wir fahren Auto immer noch wie vor 100 Jahren, mit Verbrennermotor und Benzin. Im Gegensatz dazu, haben sich Computer und Unterhaltungselektronik rasend schnell entwickelt.
Wie kommt es, dass manche Technologien stehen bleiben, und andere sich rasant fortentwickeln? Warum ist es kein Problem, sich alle zwei Jahre ein neues Smartphone und ein neues TV mit den neuesten technologischen Entwicklungen zu kaufen, aber ein Problem, sich ein Auto mit Elektroantrieb zuzulegen?
Ich frage das als Jemand, der selbst noch einen Verbrenner fährt.
Warum dauern manche Entwicklungen so lange, und andere gehen so schnell? Ist das Traditionalismus, Konservatismus, Beharrungsvermögen? Ich weiß es nicht.
Zurück zum Thema „Heimat“.
Der baden-württembergische Ministerpräsident von den Grünen hat sich einmal recht abfällig über dieses Thema geäußert. Dabei ist er selbst kein gebürtiger „Südweschtler“ und regiert ein traditionsbewusstes Bundesland. Bei „uns“ in NRW, das weniger ländlich, mehr urban, geprägt ist, geht man mit diesem Begriff entspannter um. Mein Vater sprach in Bezug auf NRW oft davon, dass hier das „Beharrungsvermögen“ ausgeprägter sei als anderswo. Allerdings war das in den 1990er-Jahren, und er meinte wohl die Kohlesubventionen.
Dass es in jedem Bundesland anders zugeht, merkt man auch an der Debatte ums Gendern. Während nach den AfD-Erfolgen bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern das Gendern „top down“, also von oben, verboten wurde, will man sich in NRW „mit so einem Scheiß“ (Zitat Nachrichtenmagazin „DER SPIEGEL“) regierungsseitig nicht beschäftigen.
Warum auch.
Soweit meine Gedanken zum Thema Heimat, Gesellschaft, Gendern und Verkehr.
(ERGÄNZUNG: Mein Satz "Warum auch" wird in der englischen automatischen Übersetzung lapidar als "Why?" übersetzt. Korrekterweise müsste die Übersetzung, für die englischen Leser, heißen: Warum sollte sich die nordrhein-westfälische Landesregierung auch mit so etwas beschäftigen.)
(ERGÄNZUNG, 20.01.24: Der Soziologe Prof. Heinz Bude hat zur gesellschaftlichen Entwicklung in einer TV-Vorlesung mal folgenden Satz gesagt, den ich bemerkenswert fand:
"Es wird alles besser und schlechter zur gleichen Zeit.")