10.7.24

Die 90er: Weshalb ich froh bin, dass sie vorbei sind

 Momentan grassiert - nach dem 80er-Revival - das 90er-Fieber.

Überall findet man "90s-Partys". Im Radio leben die Hits von damals auf. Und die heutigen Mittvierziger schwärmen von Tamagotchi, Lavalampe und Loveparadebesuch.

Wenn ich an die Neunziger zurückdenke, war das zwar ebenso meine Jugendzeit. Aber ich erinnere mich nur an Schule, Schule, lange Sommerferien und Urlaube erst mit, am Ende ohne Eltern.

Im TV flimmerten in den Jugendzimmern "VIVA" und MTV. Das hatte ich nicht. Alle wollten irgendwann ins Internet, immerhin, das hatte ich dann auch.

Die Loveparade ist, als Technohasser, komplett an mir vorbei gegangen. Immerhin erinnere ich mich an einen Besuch in Köln beim dortigen "Ringfest" und der "Popkomm" (gibt es beides auch schon lange nicht mehr). Die Stadt war, ähnlich wie beim Karneval, brechenvoll, eine Bühne stand neben der Anderen.

Und die Musik? Spontan erinnere ich mich an Blümchen, Ace of Base, Scooter. Musik, die ich schon damals zum Kotzen fand. Und auch heute schnell umschalte, wenn sie irgendwann dann dann doch mal wieder im Radio läuft.

In den Nachrichten, die ich auch damals schon intensiv verfolgte, dominierte der Jugoslawienkrieg. So toll und unbeschwert waren die 90er also mitnichten.

Im Jahr 2000 machte ich Abitur. Ich besuchte im selben Sommer mit meiner Mutter die Expo 2000 in Hannover. Und ein Jahr später drehte sich dann alles um den Terror des 11. September.

Da waren die 90er dann endgültig vorbei.

Warum mein Studium, Alles in Allem, eine Enttäuschung war

Im Frühjahr 2001 – ich war noch im Zivildienst – wollte mein Vater mich auf mein Studium vorbereiten. Ich sollte und werde studieren, dafür bestand für ihn und meine Mutter kein Zweifel.

Er fuhr also mit mir im tiefsten Schnee nach Göttingen, seiner alten Universitätsstadt, in der er in den 1970ern sein Diplom bestanden hatte.

Er lief mit mir begeistert über den Campus, las die Vorlesungsverzeichnisse, und rief laut: „Schau mal, dieser Professor war schon vor 30 Jahren hier!“

Er fuhr mit mir begeistert zu seinem alten Wohnheim und erzählte, dass sie hier 1972 „Willy Wählen!“-Plakate aus den Fenstern gehängt hatten.

Er ging mit mir begeistert in seine alte, schummerige Studentenkneipe und lobte seine Studienzeit in den höchsten Tönen.

Das sei eine tolle Zeit gewesen, die werde es auch für mich werden, ich werde viele neue Leute kennen lernen, und ich werde diese Zeit genießen.

Ich wollte nur weg.

Aber was blieb mir übrig? Meine Kindheitswünsche in Sachen Beruf hatte ich längst vergessen.

Und so schrieb ich mich daheim für eine Dreifächerkombination auf Magister ein.

Und wurde schwer enttäuscht.

Nach drei Wochen gab ich auf, und erlebte meine erste Sinnkrise. Erst zwei Jahre später konnte ich mich wieder ins Unileben einfügen.

Ich wollte aber weg, zurück nach Frankfurt, wo ich zwei Jahre meiner Kindheit verbracht hatte. Natürlich ins Wohnheim. Das hatte mein Vater mir ja so traumhaft dargestellt.

Das Ergebnis?

Ein-, zweimal im Jahr gab es ein gemeinsames Flurkochen. Ansonsten gingen die Bewohner - aus ganz Deutschland, und aus dem In- und Ausland kommend – jeder so ihrer Wege.

Eines Tages zog ein neuer Bewohner aus Berlin ein. Er studierte – welch Glück – auch Soziologie. Wir saßen Abends bei einem Glas Wein zusammen. Ich war froh, endlich jemanden gefunden zu haben.

Einige Wochen später war er zurück in seine Heimat gezogen.

Den Namen, und auch die Namen der anderen Bewohner, habe ich längst vergessen.

Schade.

7.7.24

Frankreich: Linksbündnis bei Parlamentswahl vorne

Stand: 7.7.24, 20.08 Uhr 

Ich habe die erste Prognose um Punkt 20.00 Uhr bei "TV5MONDE" verfolgt, das die Wahlberichterstattung von "France 2" übernimmt.

Überraschung: Das Linksbündnis liegt vorne, dahinter "Ensemble" von Präsident Macron, und knapp dahinter der "Rassemblement National".

 Mehr dazu morgen.



8.7.24, 11:25 Uhr

Premierminister Attal von Macrons "Ensemble"-Partei ist zurückgetreten.

Wie es weiter geht, ist unklar.

Das siegreiche Linksbündnis müsste eine Koalition mit Macrons Partei eingehen. 

Das scheint, angesichts des bunt zusammen gewürfelten linken Haufens von Kommunisten, Grünen, Sozialisten etc., momentan jedoch fraglich.

Immerhin: Die "Brandmauer" gegen Rechts hat gehalten.


4.7.24

UK: „Landslide victory“ for Labour

Gerade um 23:00 Uhr unserer Zeit haben britische Medien ihre Prognose für die Wahlen zum britischen Unterhaus („house of commons“) bekannt gegeben. Wie bei uns in Deutschland pünktlich nach Schließung der Wahllokale.

Labour unter Keir Starmer fährt einen Erdrutschsieg sein, mit 410 Parlamentssitzen (Stand: 4.7.24, 23:20 Uhr). Die absolute Mehrheit liegt bei 326 Sitzen. Die Torys sacken ab auf nicht einmal 150 Sitze.

Noch sind keine Wahlkreise ausgezählt, aber am Sieg Labours besteht kein Zweifel.

Die BBC veröffentlichte eben Wahrscheinlichkeitsrechnungen für einige prominente Tory-Politiker, dass diese ihren Wahlkreis am Ende der Auszählung doch noch gewinnen können. Bei manchen Politikern lag sie bei unter 1 Prozent.

Das erinnert mich an Tony Blairs Wahlsieg 1997 und die Aufbruchstimmung, die damit verbunden war (Stichwort „Cool Britannia“). Auch für Deutschland, wo ein Jahr später ebenfalls die Sozialdemokraten gewannen.

Some months ago, I wrote about a possible Labour government, and whether it might tie closer relations to the European Union. It is much too early to predict that, as it’s just voting night.

But when I visited Britain a few months ago and felt terribly at London’s St. Pancras Station because of all the passport controls and safety measures, I hoped for better days.

Maybe they’ll come. 

PS: Next week I will write about the upcoming French elections

27.6.24

Warum mich weder Rechte, noch Linke akzeptieren

Ich sage es an dieser Stelle offen: Ich bin Mitglied einer demokratischen Partei.

Aber das bedeutet nicht automatisch, dass ich mit all ihren Positionen übereinstimme.

Als ich vor der Europawahl den „Wahl-O-Mat“ nutzte, kam dabei eine andere Partei heraus, mit der ich am Meisten übereinstimmte.

Ich fühle mich in gesellschaftspolitischen Fragen eher links (-liberal). Abtreibung, Cannabis, Staatsangehörigkeitsrecht – bei diesen und ähnlichen Fragen habe ich eine offene Position für Neuerungen inne.

In wirtschaftspolitisch-sozialen Fragen wird das schwieriger. Mit ultraliberalen, gar libertären, Ansichten kann ich hier wenig anfangen. Ich bin für Digitalisierung, eine schlanke Bürokratie, Wettbewerb, aber auch für die Beibehaltung des Sozialstaats.

Ich glaube daran, dass erst erwirtschaftet, dann verteilt werden muss. Ich glaube aber auch an die Existenz einer Gesellschaft. Und als Beamtenkind habe ich ein Grundvertrauen in den Staat, auch, wenn ich schon oft an ihm verzweifelt bin.

Deshalb passt das Schema „links-mitte-rechts“ so 1:1 weder zu mir, noch zur modernen Gesellschaft, in der wir leben.

Besser gesagt: Es passt nicht mehr.