25.1.25

Willy Brandt, Alfred Herrhausen, die 68er, ich und mein Vater

Gerade eben sah ich im TV eine Dokumentation über Willy Brandt. Ich kannte sie zwar schon, aber in mir entstand sofort der Wunsch, mal wieder nach Bonn, der alten Bundeshauptstadt und seiner alten Wirkungsstätte, zu fahren.

Als der ehemalige SPD-Kanzler 1992 starb, war ich elf Jahre alt. Ich erinnere mich, dass bei uns daheim der „SPIEGEL“ mit seinem Konterfei lag. Ich fragte meinen Vater, ob er traurig sei, dass Willy Brandt gestorben sei, und er erwiderte, ja, da sei er traurig.

Später erzählte er mir, wie sie 1972 „Willy wählen“ - Plakate aus den Fenstern ihres Studentenwohnheims in Göttingen gehängt hatten. Göttingen war ohnehin eine Hochburg der erfolgreichen Nach-68er-Politiker. Hier studierten zu Zeiten meines Vaters auch Gerhard Schröder und Jürgen Trittin.

Bei allen Widersprüchen, die diese Aufbruchs-Generation mit sich trägt. Da war zum Beispiel der Terrorismus der RAF-Jahre, der ja auch eine der Folgen der kulturellen Revolution von „1968“ war.

Als ich in Frankfurt studierte, war ich einmal auf den Spuren des von der RAF ermordeten Ex-Deutsche-Bank-Chefs Alfred Herrhausen. Der stammte aus Essen, wo auch ich die meiste Zeit meines Lebens verbracht habe. Ich fuhr nach Bad Homburg. Und stand plötzlich an der Stelle, an der er 1989 gestorben war. Dort stand eine Gedenkstätte mit einem Kranz des damals noch lebenden Ex-Kanzlers Helmut Kohl.

Ich bin nicht dorthin gefahren, weil ich mit den Ideen der terroristischen Verbrecher sympathisierte. 

Im Gegenteil. Ich wollte verstehen.

Ich wollte verstehen, wie die alte Bundesrepublik vor 1989, in der ich aufgewachsen bin, tickte. Ich hatte die Filme „Todesspiel“ von Heinrich Breloer und „Black Box BRD“ von Andreas Veiel gesehen. Letzterer beleuchtet die Leben von Alfred Herrhausen und des Terroristen Wolfgang Grams parallel. Und ich war tief erschüttert.

Um nun auf meinen Vater zurück zu kommen, den von der demokratischen Seite der Nach-68er-Bewegung geprägten SPD-Anhänger und kritischen Journalisten, der er immer war - es gibt Vieles, was ich meiner Elterngeneration vorwerfen kann. 

Aber eines nicht:

Sie wollten es besser machen, als ihre eigene Elterngeneration. Sie wollten mit den Schatten der Vergangenheit aufräumen und sich davon demokratisch distanzieren.

Das rechne ich ihnen hoch an. 

11.1.25

SATIRE: Wer hat hier einen an der Klatsche?

Ich weiß nicht, ob jemand unter meinen Lesern die "Diskussion" zwischen Elon Musk und Alice Weidel (AfD) auf der für ihre Pluralität bekannten Plattform "X" verfolgt hat. Die im Übrigen derart plural ist, dass fast alle deutschen Hochschulen sich von ihr aus Protest verabschieden wollen.

Dass Hitler Kommunist war, weiß jeder, der in der Schule im Geschichtsunterricht aufgepasst hat. Oder wusstet ihr das etwa nicht? Ja, klar, so wird es sein, denkt sich vermutlich so mancher, der sich seine politische Bildung von so seriösen Internetplattformen wie TikTok, Instagram und Telegram zusammensucht.

Fast jeder Fünfte in Deutschland würde in Deutschland momentan die AfD wählen, laut Umfragen. Das sind wohl alle die, die im Geschichtsunterricht so gut aufgepasst haben, dass sie Hitler für einen Kommunisten halten - wenn Alice Weidel das sagt, und Elon Musk ihr zustimmt.

Es zeigt sich doch immer wieder: Die besten Demokraten sind die mit dem dicksten Portemonnaie. Ein "lupenreiner Demokrat", also jemand wie Musk oder Putin, will immer nur das Beste für das eigene Volk. Zu dem natürlich Menschen mit anderem Namen, anderer Religion, anderer Hautfarbe oder anderer sexueller Orientierung nicht gehören. 

Herzlichen Glückwunsch, Frau Weidel und Herr Musk, für diesen intellektuellen Dünnpfiff!

SATIRE-ENDE

 

29.12.24

Was ist in diesem Land los?

Deutschland war einmal eine Soziale Marktwirtschaft. Ein Land, das stolz war auf seine demokratische Entwicklung und Errungenschaften. Ein Land, das stolz war auf seinen sozialen Frieden, und in dem auch Schwächere eine Chance hatten. Ein Land mit gut ausgebildeten Facharbeitern und angemessenen Löhnen. Ein Land, das stolz war auf seine Liberalität und Weltoffenheit.

Laut einer weltweit durchgeführten BBC-Umfrage von vor einigen Jahren ist Deutschland das beliebteste Land. Und, ja, es stimmt auch, dass bei uns noch Einiges besser funktioniert als bei unseren Nachbarn oder in anderen gefährdeten Demokratien auf der Welt.

Aber die eisige Kälte in Deutschland bezieht sich nicht nur auf das Wetter. Elon Musk ist da nur die Spitze des Eisbergs. Bei der nächsten Bundestagswahl könnte die rechtsextreme AfD zweitstärkste Partei werden, glaubt man den Umfragen. Und der Chef der größten Oppositionspartei, ein ehemaliger Lobbyist eines Billionen schweren Vermögensverwalters, holzt gegen Schwächere.

Nach unten treten, das scheint die Devise zu sein, die sich Teile Deutschlands und Europas wünschen. Die meisten Deutschen schauen sorgenvoll aufs neue Jahr 2025. Angesichts von Kriegen und Krisen. Dabei müssten sie wissen, dass Deutschland politisch in der EU und militärisch in der NATO relativ sicher aufgehoben ist. Im Kalten Krieg, als die Front direkt durch Deutschland verlief, war die Lage viel prekärer.

Dennoch ist die Stimmung schlecht. Viele sehnen sich in eine vermeintlich bessere Vergangenheit zurück, die, näher betrachtet, eher schlechter war als heute. Retro ist in.

Ich wünsche Euch trotzdem einen guten Rutsch ins Jahr 2025. Bleibt mir treu.


 

13.12.24

Warum in Deutschland und den USA ein umfassendes wirtschaftspolitisches Konzept fehlt

Ich wohne im Ruhrgebiet. Hier werden die Schlangen vor den Tafeln immer länger, und die Schuldenberge der Kommunen immer höher.

Es war der Sündenfall der damaligen rot-grünen Bundesregierung unter Schröder, gleichzeitig den Arbeitsmarkt zu deregulieren und die Sozialleistungen zu kürzen. Das wirkt bis heute nach. Für die zunehmende Verschuldung der Kommunen in NRW gibt es weder auf Landes-, noch auf Bundesebene einen Plan. Da ist es kein Wunder, dass extremistische Kräfte immer mehr Zulauf erhalten.

Weder die GroKo, noch die Ampel, und vermutlich auch die kommende Bundesregierung, hatten und haben ein stimmiges Konzept, um Deutschland auf Vordermann zu bringen.

Was Noch-Wirtschaftsminister Habeck vorgeschlagen hat, nämlich eine staatliche Investitionszulage von zehn Prozent auf alle privaten Investitionen, zähle ich nicht zu einem vernünftigen Konzept. Das zeugt eher von Planlosigkeit. Auch wenn es zu den wirtschaftspolitischen Vorstellungen einer tendenziell links von der Mitte agierenden Partei passt.

Auch von Union und FDP hört man wenig in Sachen Wirtschaftspolitik. Einer der engsten Berater von Ex-Bundesfinanzminister Lindner, der Ex-Wirtschaftsweise Feld, ist ein Hardliner in Sachen angebotsorientierter und neoklassischer Wirtschaftstheorie. Die in ihrer reinen Lehre längst von der Realität überholt ist.

Auch die Industrie ist kein Selbstläufer mehr. Nehmen wir die Autoindustrie. Es gibt bereits seit den 1970er-Jahren Pläne und Modelle, Elektroautos statt Verbrenner einzuführen. Genau wie das einst geplante Drei-Liter-Auto wurden diese Pläne nie konsequent umgesetzt. Da hilft auch kein Investitionszuschuss.

Donald Trump wurde in den USA vermutlich auch deshalb wiedergewählt, weil er als Unternehmer, und durch seine jahrzehntelange Medienpräsenz, den US-Bürgern als „Wirtschaftsexperte“ erschien. Dabei fällt ihm in Sachen Ökonomie außer Zöllen auf althergebrachte Wirtschaftszweige wie der Stahlindustrie und Protektionismus auch nichts Vernünftiges ein.

Wollen wir hoffen, dass der Wahlkampf in Deutschland bis Februar in einigermaßen geordneten Bahnen verläuft. 

5.12.24

Sven Kroll zu Gast beim „Kölner Treff“ (WDR)

Meine Mutter schaute in den Jahren vor ihrem Tod regelmäßig die Nachmittagssendung „hier und heute“. Das war ihr tägliches Programm. Danach die Nachrichten im WDR, im ZDF und schließlich um 20.00 Uhr die „tagesschau“.

Sie war fernsehlos groß geworden. War froh, als in ihrer Heimat alle den „Zauberspiegel“ bekamen, damit die Menschen ihn als Fenster zur Welt entdecken konnten, wie sie mehrmals erzählte. Daher kannte und schaute sie nur „erstes, zweites und drittes Programm“.

Auch den „Kölner Treff“ sah sie regelmäßig. Zu Gast war dort am vergangenen Freitag der Moderator Sven Kroll, der eine ungewöhnliche Familiengeschichte erzählte.

In seiner Jugend hatte sein Vater den Kontakt zu ihm, seinem Bruder und seiner Mutter abgebrochen, eine neue Familie gegründet. Den Kontakt zu seiner Mutter hatte Kroll dann viele Jahre später selbst beendet, weil sie kein Interesse an seiner Person zeigte.

Ich musste, als ich das sah, an meine Eltern denken.

Die meiste Zeit meines Lebens hatte ich ein gutes Verhältnis zu ihnen. Sonst hätte ich nicht so lange für sie gesorgt. Ich gebe aber zu, dass ich oft daran dachte, meine Siebensachen zu packen und einfach abzuhauen. Aber dann hätte ich meinen demenzkranken Vater und meine herzkranke Mutter im Stich lassen müssen.

Und das brachte ich nicht übers Herz.

Um den Faden zurück zu Sven Kroll zu führen - auch ich stand und stehe ständig unter Leistungsdruck. Den habe ich schon als Jugendlicher gespürt. Aber so weit, den Kontakt zur Familie abzubrechen, ging es bei mir nicht.

Ich bin jetzt frei. Und diese Freiheit – um einen Werbespot zu zitieren – nehme ich mir.