22.9.24

Warum mein Vater nicht wie Horst Schlämmer war. Oder: Frau Fleischfresser

Gestern las ich in der Zeitung ein Interview mit Hape Kerkeling. Darin gab er bekannt, die Journalistenkarikatur Horst Schlämmer wiederaufleben lassen zu wollen.

Meine Eltern lebten bescheiden. Meine Mutter war protestantisch-calvinistisch in Norddeutschland aufgewachsen. Mein Vater kaufte seine Anzüge grundsätzlich bei C&A. Unsere Möbel waren fast ausschließlich von IKEA. Ich erinnere mich an stundenlange, streitumwobene Aufbauaktionen.

Nach dem Hausbau Mitte der Neunzehnachtziger hatten meine Eltern so wenig Geld, dass meine Mutter mir die Haare schnitt. Ich erzählte das, kindestypisch, freudig meinen Kindergärtnerinnen. Was sie sich wohl gedacht haben mögen? Nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl brachte ich mein eigenes Essen in den Kindergarten mit, wenn es mal Hackfleisch, Steinpilze, Pfifferlinge oder Milch gab. So konsequent war meine Mutter.

Außerdem fuhren wir regelmäßig zu Frau Fleischfresser. Frau Fleischfresser (sie hieß wirklich so) hatte zwei ältere Söhne. Deren Kleidung musste ich auftragen. Die Pullover kratzten, die Hosen waren zu weit. Ich mochte das nicht. Aber so war das damals. Die Musik der Achtziger liebe ich bis heute heiß und innig. Aber ich verkläre diese Zeit nicht. Vieles war grau. Und auch politisch war Einiges los. Erst 1989 entspannte sich die Lage.

Um auf Horst Schlämmer zurück zu kommen: Die Figur ist, das schrieb ich bereits einmal, so lustig, dass es weh tut. Aber Journalisten sind nicht so. Auch Lokalredakteure nicht. Ich hatte, trotz aller Konflikte, die ich mit meinem Vater hatte, ein gutes Verhältnis zu ihm.

Und ich vermisse ihn und meine Mutter sehr. Letzte Nacht habe ich von ihnen geträumt.

Ich werde sie nie mehr wieder sehen.

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