11.5.25

Gibt es eine Gesellschaft?

Einmal traf ich Christoph. Christoph arbeitete für einen der Großkonzerne im Ruhrgebiet.

Er sichtete und verwaltete für seinen Arbeitgeber große Mengen an Daten. Ich habe davon keine Ahnung.

Wir kamen auf das Thema „Gesellschaft“ zu sprechen. Er war der Meinung, eine Gesellschaft gebe es nicht – mehr. Die Menschen seien durch Medien, Internet, Smartphones, Algorithmen, Influencer und KI manipulierbar - geworden. Einen Zusammenhalt gebe es nicht - mehr.

Ich war schockiert. Was sollte ich ihm, als Sozial- und Geisteswissenschaftler, darauf antworten?

Neulich saß ich morgens in der S-Bahn. Ich sah mir die Fahrgäste an. Fünf Menschen saßen dort nebeneinander. Alle starrten schweigend auf ihr Smartphone. Da kamen mir Zweifel.

Was, wenn Christoph Recht hat? Dass wir alle beeinflussbar sind? Und dass es, wie Margaret Thatcher sagte, keine Gesellschaft, sondern nur Individuen gibt?

Ich glaube an eine Gesellschaft. Es gibt Dinge, die uns zusammenhalten. Und ich denke, es ist diesem Zusammenhalt nicht zuträglich, wenn wir gesellschaftliche Minderheiten schurigeln. Seien es sozial Schwache, Migranten, LGBTQI+-Menschen, oder jede andere Minderheit.

Der Faschismus – und ich benutze diesen Begriff bewusst – von AfD, Trump und Anderen in Europa und der Welt ist eine Gefahr für Minderheiten - und unsere Gesellschaften. Ich bin mir nicht sicher, ob die demokratischen Politiker des Westens das endgültig realisiert haben.

Meine Eltern waren von den Nach-68ern geprägt. Meine Mutter und wir Kinder nahmen den Namen des Vaters, aber die Religion der Mutter an. Meine Eltern lernten sich bei „Amnesty International“ kennen. Auch klassisch für die Gesellschaft der 1970er-Jahre.

Und die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts? Die 1970er sind lange vorbei. Meine Eltern sind tot. Ich versuche, meinen Teil dazu beizutragen, dass es gesellschaftlichen Zusammenhalt gibt.

Mehr kann ich nicht tun. 

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