8.10.22

Zwischen Rap und Realität – LAS27

Neulich traf ich Lars. Lars ist 23 und Rapper aus Essen. Er nennt sich LAS27.

Viele Rapper posen, texten über „b*tches“ und dergleichen. LAS27 ist kein – sorry – „motherf*cker“-Rapper.

Er rappt über das, was er selbst erlebt hat.

Lars hat eine bewegte Geschichte. Geboren in Oberhausen, fuhr er als Kind gerne Fahrrad, spielte Fußball. Dann lief irgendwann alles aus dem Ruder. Mit 15 fing er an zu kiffen. Seine Mutter warf ihn irgendwann aus der Wohnung. Er lebte eine zeitlang auf der Straße. Musste draußen schlafen, wenn das Obdachlosenheim zu voll war, wie er sagt. Begann zu rappen.

Als Vorbild für seinen Künstlernamen nahm er sich die Postleitzahl seines Stadtteils, Hörsterfeld.

45279. Daher LAS27.

Wenn man ihn fragt, wer denn seine musikalischen Einflüsse sind, nennt er sofort 2Pac. Das ist erstaunlich, denn 2Pac starb, als er noch gar nicht geboren war. Old school halt.

LAS27 wollte „gegen den Strom schwimmen“, seine Kunst mit Message versehen. Irgendwann, als er auf der Straße lebte, plante er mit einem Kumpel einen Raubüberfall. Er wollte „Leute abziehen“.

Etwas, von dem er sich heute eindeutig distanziert.

Aber damals war die Not groß. Lars schlief teilweise in einer Obdachlosenunterkunft, sah Junkies. Er erlebte Schlägereien, wollte Geld machen. Schließlich setzte er den Plan mit einem Kumpel um. Sie zogen mit einer Waffe eine Spielhölle ab, erbeuteten eine mittlere Summe Kohle. Wurden zwar von der Polizei verfolgt, aber nicht gefasst. Dann zogen sie sich um. 

So was würde er heute nie mehr machen, sagt er.

Im Knast saß Lars dann schließlich doch. Aber nicht wegen des Raubes, sondern wegen Schwarzfahrens. Das Schicksal meint es manchmal seltsam mit einem.

Seine Titel heißen „Feuer im Regen“, „27 member“, „Savage“ und „Savage 2.0“. Ihr findet seine Songs auf YouTube, wenn ihr „LAS27“ eingebt. Bei Instagram findet ihr ihn unter: lasm27.

26.9.22

Die „schwäbische Hausfrau“ und der Staat

Gerade habe ich angefangen, ein Buch des Wirtschaftsforschers Marcel Fratzscher zu lesen.

Ich bin noch nicht weit. Aber gleich auf den ersten Seiten bezeichnet er das Ideal der „schwäbischen Hausfrau“ als „sexistisch“.  

Erst einmal: Ich finde Schwaben total nett. Sie sind ordentlicher, wohl erzogener, freundlicher als viele andere Deutsche. Die Arbeitslosenquote im Südwesten ist gering, die Menschen sind in der Regel wohlhabend. Die südwestlichen Medien gefallen mir besser als unsere hier. Ich mag den Dialekt. Einer meiner besten Kumpel kommt aus Baden, das sind die, die immer in Konkurrenz und Opposition zu den Schwaben stehen. Die Badener gelten als lebenslustiger und nicht so kniepig wie die Schwaben. (Anmerkung: Das Wort „kniepig“ stammt aus dem Rheinland und bedeutet so viel wie „geizig“.)

Aber warum wird die schwäbische Hausfrau als Vorbild genommen?

Während der Griechenland-Krise in den 2010er-Jahren hat die damalige Kanzlerin eben jene Hausfrau den Griechen als Leitbild empfohlen. Die griechische Schuldenkrise hatte vor allem drei Gründe.

-        Regierungen, die jahrelang falsche Zahlen nach Brüssel lieferten und Haushaltslöcher verschleierten.

-        Internationale Geldhäuser, die der jeweiligen Regierung beim Verschleiern der Haushaltsdefizite halfen.

-        Ein überbordender Verteidigungshaushalt.

Wie soll da das Konzept einer sparsamen Hausfrau greifen?

Zurück nach Deutschland. 

Die schwäbische Hausfrau gilt auch bei uns als Motiv für die Staatsausgaben. Die Schuldenbremse steht im Grundgesetz. Das hat man gemacht, weil eine Zeitlang der*die jeweilige Finanzminister*in, egal welcher Partei, immer mehr ausgegeben hat. Das war, aus damaliger Sicht, vielleicht sinnvoll. Allerdings habe ich schon mal geschrieben, dass das Grundgesetz, meiner Meinung nach, nur unsere Grundrechte regeln soll. Und nicht die Haushaltspolitik.

Das ist vergossene Milch. Die Schuldenbremse gilt.

Nun plant die Regierung aktuell, anstatt einer Gaspreisumlage, eine Gaspreisbremse. Damit haben Wirtschaftsminister Habeck und Finanzminister Lindner ein Problem.

Habeck, weil er seinen eigenen Plan für eine Umlage voraussichtlich kassieren muss. Und Lindner, weil die Differenz, die durch den Preisdeckel beim Gas entsteht, ja irgendwie den Gasversorgern kompensiert werden muss. Dafür müssten theoretisch entweder die Steuern erhöht werden – oder es kann eben die Schuldenbremse wieder nicht eingehalten werden. Das aber hat der Minister versprochen. Quadratur des Kreises.

Generell gilt: Staatsschulden sind eigentlich nicht vergleichbar mit Schulden von Privatleuten. Während die Hausfrau ihre Schulden bei der Bank in der Regel zu einem festen Zeitpunkt mit Zinsen zurückzahlen muss, gilt das für Staatschulden nicht. Die Schulden, die der deutsche Staat seit den 1960er-Jahren angehäuft hat, haben wir heute noch immer. Das Problem sind die Zinsen, welche jetzt wieder steigen.

Man sieht: Das Konzept der „schwäbischen Hausfrau“ funktioniert für den Staat nicht. Dort läuft es nach anderen Regeln ab.


22.9.22

BFBS Memories

Some fond memories about BFBS. One of my former favourite radio station.

Britisch Forces Radio used to broadcast via strong FM frequencies in the north west of Germany. And, of course, in Berlin. For the younger ones: Remember, this country once was occupied!

Unlike on AFN, the hosts aren‘t members of the army. The German studios were in Herford, I remember their phone numbers: 05221-81006 or 81007. The news first came from the BBC, later from commercial IRN.

In 2010, BFBS closed down in our region. As I read on the internet, in Berlin this had already been the case in 1994 when the Allied Forces went away.

As a pupil, I woke up to the Breakfast Show, which American and German radio call „morning show“.

When I wasn’t at school, I listened to „BFBS Gold“ with Dave Windsor. He played classic hits and oldies in the style of the old pirate stations. There was no other oldies station receiveable at that time.

In the earlier days, I remember they used to broadcast John Peel’s Radio 1 show. But that’s long ago.

Anyway, I remember shows like „Late Night with Arabella Seymour“, „The World Wide Rock Show with Cal Sutherland“, „Forces Finest“, „Connect“, „Sim’s Sunday Show“ and „The Late Glen Mansell“. The latter has sadly passed away. He did the late show on a workday. You could phone him and send him emails. Did quizzes and played requests. There’s nothing like that on nowadays radio, whether in Germany or Britain.

Some weekend before Christmas, BFBS used to do the charity show „Wireless for the blind“. People could donate for blind people and get their song request. This always went for days.

That’s what comes to my mind spontaneously when I think of BFBS.

Most of the British Forces have left Northrhine-Westphalia. So there’s no need for BFBS any more.

Today you can listen online to any station in any thinkable language. That‘s kind of nice, as well.

 

PS: When I was at school in England in 1999, I would surf the then BFBS website. A schoolmate from England came up to me and asked me: „BFBS? What does that stand for? Bl**dy F***ing Bullsh*t?“

18.9.22

Der moderne Narzissmus

Ein Phänomen des 21. Jahrhunderts ist der allgegenwärtige Narzissmus.

Der Narziss, der sich selbst über alle und alles andere stellt.

Ich gebe es zu: Ich beobachte an mir eine zunehmende Selbstbezogenheit, seitdem ich einen Gutteil des Tages vor dem PC, am Laptop oder am Smartphone hänge. Beobachte an mir, dass ich ungeduldig werde, wenn andere mir – meiner Meinung nach - nicht genügend Aufmerksamkeit schenken.

Das ist schlecht – und gut zugleich.

Instagramer, TikToker, YouTuber, Influencer, Twitterer, Podcaster und Blogger gab es bis vor wenigen Jahren nicht. Jeder kann Sender sein, passend zum YouTube-Motto „Broadcast Yourself!“. Jeder kann sich online nach Lust und Laune austoben. Sich selbst oder sein Lieblingsthema präsentieren.

Zumindest dort, wo es keine Zensur gibt.

„Früher“ gab es die Promis, die sich in den alltäglichen TV-Magazinen, Zeitungen und Zeitschriften selbst darstellten. Man konnte, als Bürger, einen Leserbrief an die Zeitung schicken, oder machte bei einem Offenen Kanal oder im Bürgerfunk mit. Machte mal ein Praktikum bei einem Medium.

Das war alles. Das Internet hat die alten Zustände pulverisiert.

In den klassischen Medien werden zumeist die Gefahren betont, die der Online-Narzissmus mit sich bringt. Da geht es um Rechtsradikale, die gegen Minderheiten hetzen. Um Querdenker, die Kriminalität im Darknet, Verschwörungstheoretiker, Fake-News-Produzenten aus aller Welt. Politiker, die ihre antidemokratischen und menschenfeindlichen Botschaften verbreiten, und auch noch gewählt werden. Und ähnlich zwielichtige Geschöpfe.

Das ist alles soweit richtig.

Jedoch hat der grenzenlose Narzissmus auch Vorteile. Kommunikation ist von jedem Ort der Welt aus möglich. Minderheiten können sich vernetzen, Communities bilden und eine Öffentlichkeit herstellen. Jeder kann sich über jedes denkbare Thema und in jeder denkbaren Sprache informieren. In diktatorisch regierten Ländern kann das Internet Freiheiten vermitteln, die offline nicht zu erreichen sind.

Zumindest dort, wo es keine Zensur gibt.

Auch das ist ein Teil des modernen, allgegenwärtigen Narzissmus. 

Dass wir uns auch ein Stück näherkommen.


NACHTRAG: Nachdem ich diesen Blogbeitrag geschrieben habe, habe ich überprüft, ob meine Webseite in Russland gesperrt ist. Sie war es zunächst nicht. 

Plötzlich dann aber doch. Schade. 

Lag es daran, dass ich diesen Beitrag geschrieben habe, oder dass ich es überprüft habe?

Ich weiß es nicht.

10.9.22

Die Renaissance der Nachfragestärkung

Deutschland steht vor einem heißen Herbst und einem brütend heißen Winter.

Strom wird extrem teuer. Gas droht, zu verknappen. Viele drohen, abzurutschen.

Da muss die Regierung gegensteuern. Sie tut das mit einem Maßnahmenpaket, das bisher keiner so recht durchschaut, und das bisher keiner so recht versteht. Aber immerhin, das Problem wird gesehen.

Das war in den letzten Jahren und Jahrzehnten oft nicht so.

Erstaunlich ist, dass Arbeitnehmer und -geber bisher eher an einem Strang ziehen. Das ist in Deutschland unüblich. Sonst gibt es unterschiedliche Auffassungen bei Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden über wirtschaftspolitische Maßnahmen.

Bereits das „9-Euro-Ticket“ im Sommer war eine klassische Maßnahme zur Nachfragestärkung. Die Leute sollten durch finanzielle Anreize dazu gebracht werden, das Auto stehen zu lassen.  Aus wirtschaftlichen und klimapolitischen Überlegungen heraus. Auch Menschen, die sonst nicht in der Lage gewesen wären, den ÖPNV zu nutzen, hat das geholfen. SPD und Grüne hatten das Ticket durchgedrückt. Die FDP war naturgemäß eher dagegen. Aber sie koalieren, und ein Folgeticket ist schon in Planung.

Auch die geplanten Energiezahlungen des Staates an Alleinstehende wie Familien sind im Prinzip ein Faktor der Nachfragebelebung. Auch, wenn sie eigentlich eine Notlage verhindern sollen. Auch, wenn noch nicht klar ist, ob sie nur an Geringverdiener und Bedürftige gehen sollen, oder auch an die Mittelschicht.

Unter Gerhard Schröder wurden die Steuern gesenkt und die Sozialleistungen eingeschränkt. Merkel hat dann nicht mehr viel verändert, weil die Konjunktur gut lief, und hat nur noch Einzelmaßnahmen beschlossen.

Seit Anfang des Jahres 2022 haben wir eine völlig neue Situation.

Dagegen erscheint der Streit zwischen Regierung und Opposition um den Weiterbetrieb von Kernkraftwerken fast klein. Wir hatten mal 17 Atommeiler. Jetzt sind es noch drei. Ob das die erhoffte Energiesicherheit bringt, wenn man diese verbliebenen länger laufen lässt, das ist zu bezweifeln. Aber das ist nicht der Punkt.

Die nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik muss in dieser Situation wieder aus dem Hut gezaubert werden. Hoffentlich schaffen die Deutschen, schaffen die Europäer und die westliche Welt es, diese bevorstehende Krise zu überwinden.