26.9.22

Die „schwäbische Hausfrau“ und der Staat

Gerade habe ich angefangen, ein Buch des Wirtschaftsforschers Marcel Fratzscher zu lesen.

Ich bin noch nicht weit. Aber gleich auf den ersten Seiten bezeichnet er das Ideal der „schwäbischen Hausfrau“ als „sexistisch“.  

Erst einmal: Ich finde Schwaben total nett. Sie sind ordentlicher, wohl erzogener, freundlicher als viele andere Deutsche. Die Arbeitslosenquote im Südwesten ist gering, die Menschen sind in der Regel wohlhabend. Die südwestlichen Medien gefallen mir besser als unsere hier. Ich mag den Dialekt. Einer meiner besten Kumpel kommt aus Baden, das sind die, die immer in Konkurrenz und Opposition zu den Schwaben stehen. Die Badener gelten als lebenslustiger und nicht so kniepig wie die Schwaben. (Anmerkung: Das Wort „kniepig“ stammt aus dem Rheinland und bedeutet so viel wie „geizig“.)

Aber warum wird die schwäbische Hausfrau als Vorbild genommen?

Während der Griechenland-Krise in den 2010er-Jahren hat die damalige Kanzlerin eben jene Hausfrau den Griechen als Leitbild empfohlen. Die griechische Schuldenkrise hatte vor allem drei Gründe.

-        Regierungen, die jahrelang falsche Zahlen nach Brüssel lieferten und Haushaltslöcher verschleierten.

-        Internationale Geldhäuser, die der jeweiligen Regierung beim Verschleiern der Haushaltsdefizite halfen.

-        Ein überbordender Verteidigungshaushalt.

Wie soll da das Konzept einer sparsamen Hausfrau greifen?

Zurück nach Deutschland. 

Die schwäbische Hausfrau gilt auch bei uns als Motiv für die Staatsausgaben. Die Schuldenbremse steht im Grundgesetz. Das hat man gemacht, weil eine Zeitlang der*die jeweilige Finanzminister*in, egal welcher Partei, immer mehr ausgegeben hat. Das war, aus damaliger Sicht, vielleicht sinnvoll. Allerdings habe ich schon mal geschrieben, dass das Grundgesetz, meiner Meinung nach, nur unsere Grundrechte regeln soll. Und nicht die Haushaltspolitik.

Das ist vergossene Milch. Die Schuldenbremse gilt.

Nun plant die Regierung aktuell, anstatt einer Gaspreisumlage, eine Gaspreisbremse. Damit haben Wirtschaftsminister Habeck und Finanzminister Lindner ein Problem.

Habeck, weil er seinen eigenen Plan für eine Umlage voraussichtlich kassieren muss. Und Lindner, weil die Differenz, die durch den Preisdeckel beim Gas entsteht, ja irgendwie den Gasversorgern kompensiert werden muss. Dafür müssten theoretisch entweder die Steuern erhöht werden – oder es kann eben die Schuldenbremse wieder nicht eingehalten werden. Das aber hat der Minister versprochen. Quadratur des Kreises.

Generell gilt: Staatsschulden sind eigentlich nicht vergleichbar mit Schulden von Privatleuten. Während die Hausfrau ihre Schulden bei der Bank in der Regel zu einem festen Zeitpunkt mit Zinsen zurückzahlen muss, gilt das für Staatschulden nicht. Die Schulden, die der deutsche Staat seit den 1960er-Jahren angehäuft hat, haben wir heute noch immer. Das Problem sind die Zinsen, welche jetzt wieder steigen.

Man sieht: Das Konzept der „schwäbischen Hausfrau“ funktioniert für den Staat nicht. Dort läuft es nach anderen Regeln ab.


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