18.11.22

Wolf Schneider ist gestorben

Der Groß-Maestro der deutschen Sprache ist tot.

Wolf Schneider, einst führender Redakteur und Blattmacher in Deutschland, und später Leiter der Henri-Nannen-Journalistenschule (zu dem ich als Kind einer Ostfriesin auch einen Bezug habe, aber dazu irgendwann mehr) ist im Alter von 97 Jahren in Bayern gestorben.

Meine Eltern hatten eines seiner Deutsch-Lehrbücher und das Buch „Essen – das Abenteuer einer Stadt“ im Regal stehen.

Ich hatte früher ein gespaltenes Verhältnis zu seinen imperativen Thesen über die deutsche Sprache. 

Er war für mich ein klassischer Boulevardjournalist, mit seinem Hang zu einfachen Hauptsätzen und ungestanzten Formulierungen. Sein Credo „Qualität kommt von quälen“ erinnerte mich unangenehm an meinen Deutschlehrer auf dem Gymnasium, der ein ähnlicher Schleifer, und zudem noch Choleriker, war.

Aber lernen kann man von ihm. Auch dann, wenn man nur seine Bücher liest.

Das Bürgergeld – Abkehr von Hartz IV

Die SPD will sich von ihrem Trauma verabschieden und das Bürgergeld einführen. Das soll leicht höher liegen als Hartz IV. Sanktionen sollen teils entfallen.

Dagegen läuft die Opposition Sturm.

Union und AfD, weil sie eine Abkehr vom Prinzip „Fördern und Fordern“ befürchten und auf das Lohnabstandsgebot pochen.

Der Linken geht die Reform wie immer nicht weit genug.

Unsere Lokalzeitung hat letzte Woche eine Rechnung aufgemacht, wonach das Lohnabstandsgebot durch die Einführung des Bürgergeldes nicht verletzt wird. Das Bürgergeld werde demnach fälschlich oft mit dem Nettolohn unterer Einkommensschichten verglichen. Diese hätten jedoch ebenso Anspruch auf bestimmte staatliche Gelder.

Die Ablehnung der Reform sagt unterm Strich daher mehr aus über ihre Kritiker als über tatsächliche oder vermeintliche Ungerechtigkeiten.

Inzwischen wurde die Reform vom Bundestag durchgewunken, aber vom Bundesrat abgelehnt, und landet nun im Vermittlungsausschuss.

8.10.22

Zwischen Rap und Realität – LAS27

Neulich traf ich Lars. Lars ist 23 und Rapper aus Essen. Er nennt sich LAS27.

Viele Rapper posen, texten über „b*tches“ und dergleichen. LAS27 ist kein – sorry – „motherf*cker“-Rapper.

Er rappt über das, was er selbst erlebt hat.

Lars hat eine bewegte Geschichte. Geboren in Oberhausen, fuhr er als Kind gerne Fahrrad, spielte Fußball. Dann lief irgendwann alles aus dem Ruder. Mit 15 fing er an zu kiffen. Seine Mutter warf ihn irgendwann aus der Wohnung. Er lebte eine zeitlang auf der Straße. Musste draußen schlafen, wenn das Obdachlosenheim zu voll war, wie er sagt. Begann zu rappen.

Als Vorbild für seinen Künstlernamen nahm er sich die Postleitzahl seines Stadtteils, Hörsterfeld.

45279. Daher LAS27.

Wenn man ihn fragt, wer denn seine musikalischen Einflüsse sind, nennt er sofort 2Pac. Das ist erstaunlich, denn 2Pac starb, als er noch gar nicht geboren war. Old school halt.

LAS27 wollte „gegen den Strom schwimmen“, seine Kunst mit Message versehen. Irgendwann, als er auf der Straße lebte, plante er mit einem Kumpel einen Raubüberfall. Er wollte „Leute abziehen“.

Etwas, von dem er sich heute eindeutig distanziert.

Aber damals war die Not groß. Lars schlief teilweise in einer Obdachlosenunterkunft, sah Junkies. Er erlebte Schlägereien, wollte Geld machen. Schließlich setzte er den Plan mit einem Kumpel um. Sie zogen mit einer Waffe eine Spielhölle ab, erbeuteten eine mittlere Summe Kohle. Wurden zwar von der Polizei verfolgt, aber nicht gefasst. Dann zogen sie sich um. 

So was würde er heute nie mehr machen, sagt er.

Im Knast saß Lars dann schließlich doch. Aber nicht wegen des Raubes, sondern wegen Schwarzfahrens. Das Schicksal meint es manchmal seltsam mit einem.

Seine Titel heißen „Feuer im Regen“, „27 member“, „Savage“ und „Savage 2.0“. Ihr findet seine Songs auf YouTube, wenn ihr „LAS27“ eingebt. Bei Instagram findet ihr ihn unter: lasm27.

26.9.22

Die „schwäbische Hausfrau“ und der Staat

Gerade habe ich angefangen, ein Buch des Wirtschaftsforschers Marcel Fratzscher zu lesen.

Ich bin noch nicht weit. Aber gleich auf den ersten Seiten bezeichnet er das Ideal der „schwäbischen Hausfrau“ als „sexistisch“.  

Erst einmal: Ich finde Schwaben total nett. Sie sind ordentlicher, wohl erzogener, freundlicher als viele andere Deutsche. Die Arbeitslosenquote im Südwesten ist gering, die Menschen sind in der Regel wohlhabend. Die südwestlichen Medien gefallen mir besser als unsere hier. Ich mag den Dialekt. Einer meiner besten Kumpel kommt aus Baden, das sind die, die immer in Konkurrenz und Opposition zu den Schwaben stehen. Die Badener gelten als lebenslustiger und nicht so kniepig wie die Schwaben. (Anmerkung: Das Wort „kniepig“ stammt aus dem Rheinland und bedeutet so viel wie „geizig“.)

Aber warum wird die schwäbische Hausfrau als Vorbild genommen?

Während der Griechenland-Krise in den 2010er-Jahren hat die damalige Kanzlerin eben jene Hausfrau den Griechen als Leitbild empfohlen. Die griechische Schuldenkrise hatte vor allem drei Gründe.

-        Regierungen, die jahrelang falsche Zahlen nach Brüssel lieferten und Haushaltslöcher verschleierten.

-        Internationale Geldhäuser, die der jeweiligen Regierung beim Verschleiern der Haushaltsdefizite halfen.

-        Ein überbordender Verteidigungshaushalt.

Wie soll da das Konzept einer sparsamen Hausfrau greifen?

Zurück nach Deutschland. 

Die schwäbische Hausfrau gilt auch bei uns als Motiv für die Staatsausgaben. Die Schuldenbremse steht im Grundgesetz. Das hat man gemacht, weil eine Zeitlang der*die jeweilige Finanzminister*in, egal welcher Partei, immer mehr ausgegeben hat. Das war, aus damaliger Sicht, vielleicht sinnvoll. Allerdings habe ich schon mal geschrieben, dass das Grundgesetz, meiner Meinung nach, nur unsere Grundrechte regeln soll. Und nicht die Haushaltspolitik.

Das ist vergossene Milch. Die Schuldenbremse gilt.

Nun plant die Regierung aktuell, anstatt einer Gaspreisumlage, eine Gaspreisbremse. Damit haben Wirtschaftsminister Habeck und Finanzminister Lindner ein Problem.

Habeck, weil er seinen eigenen Plan für eine Umlage voraussichtlich kassieren muss. Und Lindner, weil die Differenz, die durch den Preisdeckel beim Gas entsteht, ja irgendwie den Gasversorgern kompensiert werden muss. Dafür müssten theoretisch entweder die Steuern erhöht werden – oder es kann eben die Schuldenbremse wieder nicht eingehalten werden. Das aber hat der Minister versprochen. Quadratur des Kreises.

Generell gilt: Staatsschulden sind eigentlich nicht vergleichbar mit Schulden von Privatleuten. Während die Hausfrau ihre Schulden bei der Bank in der Regel zu einem festen Zeitpunkt mit Zinsen zurückzahlen muss, gilt das für Staatschulden nicht. Die Schulden, die der deutsche Staat seit den 1960er-Jahren angehäuft hat, haben wir heute noch immer. Das Problem sind die Zinsen, welche jetzt wieder steigen.

Man sieht: Das Konzept der „schwäbischen Hausfrau“ funktioniert für den Staat nicht. Dort läuft es nach anderen Regeln ab.


22.9.22

BFBS Memories

Some fond memories about BFBS. One of my former favourite radio station.

Britisch Forces Radio used to broadcast via strong FM frequencies in the north west of Germany. And, of course, in Berlin. For the younger ones: Remember, this country once was occupied!

Unlike on AFN, the hosts aren‘t members of the army. The German studios were in Herford, I remember their phone numbers: 05221-81006 or 81007. The news first came from the BBC, later from commercial IRN.

In 2010, BFBS closed down in our region. As I read on the internet, in Berlin this had already been the case in 1994 when the Allied Forces went away.

As a pupil, I woke up to the Breakfast Show, which American and German radio call „morning show“.

When I wasn’t at school, I listened to „BFBS Gold“ with Dave Windsor. He played classic hits and oldies in the style of the old pirate stations. There was no other oldies station receiveable at that time.

In the earlier days, I remember they used to broadcast John Peel’s Radio 1 show. But that’s long ago.

Anyway, I remember shows like „Late Night with Arabella Seymour“, „The World Wide Rock Show with Cal Sutherland“, „Forces Finest“, „Connect“, „Sim’s Sunday Show“ and „The Late Glen Mansell“. The latter has sadly passed away. He did the late show on a workday. You could phone him and send him emails. Did quizzes and played requests. There’s nothing like that on nowadays radio, whether in Germany or Britain.

Some weekend before Christmas, BFBS used to do the charity show „Wireless for the blind“. People could donate for blind people and get their song request. This always went for days.

That’s what comes to my mind spontaneously when I think of BFBS.

Most of the British Forces have left Northrhine-Westphalia. So there’s no need for BFBS any more.

Today you can listen online to any station in any thinkable language. That‘s kind of nice, as well.

 

PS: When I was at school in England in 1999, I would surf the then BFBS website. A schoolmate from England came up to me and asked me: „BFBS? What does that stand for? Bl**dy F***ing Bullsh*t?“