7.2.25

Warum ich ungern mit Fremden an einem Tisch sitze

Im Sommer 2023 unternahm ich eine Kreuzfahrt mit den „Hurtigruten“ nach Norwegen bis ans Nordkap.

Ich war Alleinreisender. Natürlich musste man auch an Bord essen. Dafür hatte „Hurtigruten“ extra zwei runde Tische im Bordrestaurant reserviert. Hier sollten die Alleinreisenden gemeinsam speisen. Zwar etwas abseits von den Pärchen und Familien, aber immerhin im gleichen Raum.

Ich konnte das nicht. Zwei Tage lang habe ich mich unter die, mir Fremden, an einen Tisch gesetzt. Dann gab ich auf. Ließ mir das Essen in meine Kajüte bringen.

Warum das so ist? Ich weiß es nicht. Ich fühle mich, als Einzelner, in eine Gruppe gedrängt unwohl. Das war bei mir schon immer so. 

Ich möchte das gerne ändern.

Geht das noch jemandem von Euch so? Habt Ihr Tipps für mich?

Dann gerne einen Kommentar hinterlassen oder per Mail post@stefangarding.de

2.2.25

Deutschland und die NATO

Der Wiederaufstieg Donald Trumps hat es gezeigt - Deutschland und seine europäischen NATO-Partner müssen sich militärisch von den USA „ein Stück weit“ (Zitat Angela Merkel) emanzipieren.

Der neue alte US-Präsident hat seine Forderung nach Erhöhung des NATO-Beitrags der Europäer mal eben von zwei auf fünf Prozent des jeweiligen BIP maximiert. Es steht bei diesem erratischen Mann zu befürchten, dass er diesen Anspruch jederzeit noch weiter in die Höhe schraubt.

Rückblick: Die Welt hat sich seit den 1980er-Jahren gewandelt. Hatten wir damals eine bipolare Weltordnung, in der die Front direkt durch Deutschland verlief, ist Deutschland heute von politisch und militärisch befreundeten Staaten umgeben.

Die Bedrohung ist dafür komplexer und unübersichtlicher. Es steht vermutlich demnächst eine Entscheidung wie der NATO-Doppelbeschluss an, den Kanzler Schmidt initiierte und Kanzler Kohl umsetzte.

Doch die innenpolitische Situation ist völlig anders. In den 1980er-Jahren waren die Friedensbewegung und die Partei der Grünen entschieden gegen die Aufrüstung. Heute sind die Grünen einer der größten Befürworter der NATO. Eine organisierte „Friedensbewegung“ gibt es nicht.

Ja, Russland und China stellen eine Bedrohung dar. Ja, wir müssen unser Militär besser finanziell ausstatten und mit den europäischen NATO-Staaten enger kooperieren. Das heißt aber nicht, dass wir deswegen weniger in anderen Bereichen ausgeben sollten.

Wir müssen Geld in die Hand nehmen. Die Schuldenbremse im Grundgesetz ist einmal mehr der Bremsklotz für eine besser gestellte Bundeswehr und mehr Investitionen im Inland.

Es ist zu hoffen, dass wir ein weiteres „1989“ erleben. Ein Jahr, in dem sich internationale Gegnerschaft in Partnerschaft verwandelte. Weil die führenden Politiker einsahen, dass Wettrüsten nichts bringt. 

29.1.25

Warum Friedrich Merz heute die Tür für eine GroKo und Schwarz-Grün zugestoßen hat

Die lang erwartete Bundestagsdebatte ist vorbei. Ein Antrag der Union zur Migration ist tatsächlich mit den Stimmen von FDP und AfD durchgekommen. Ein weiterer wurde abgelehnt.

Für Merz’ Wunschkoalition Schwarz-Gelb (für die heute übrigens auch Wirtschaftslobbyisten in Berlin „demonstrierten“) wird es nicht reichen. Die FDP kann froh sein, wenn sie am 23. Februar überhaupt die Fünf-Prozent-Marke überschreitet.

Und was ist mit den derzeit wahrscheinlichsten Koalitionen, GroKo, Schwarz-Grün und Schwarz-Rot-Grün - letztere, falls am Ende doch sieben Parteien im Bundestag sitzen sollten?

Nun, die Mehrheitsverhältnisse sind jetzt noch nicht absehbar. Aber die Tür ist zugeschlagen. Unter einer Führung von Merz wird es eine GroKo oder Schwarz-(Rot)-Grün nicht lange geben. 

Falls diese Regierungskonstellation überhaupt zustande kommt.

Den Tabubruch, einen Antrag im Bundestag mit Hilfe der Rechtsextremen durchzubringen, werden ihm SPD und Grüne nicht vergessen. Hitzkopf, der er nun mal ist, war Merz das egal.

Es wird ihm noch sehr schaden.

25.1.25

Der Rheinländer in mir

Gerade habe ich es geschrieben. Ich werde morgen nach Bonn fahren. In die alte Bundeshauptstadt.

Ich wohne mittlerweile auch wieder im Rheinland. Wenn auch an anderer Stelle als meinem Geburtsort.

Mit der Musik von den Bläck Fööss und BAP; mit der Musik von Kraftwerk und den Toten Hosen, bin ich aufgewachsen. Die Schallplatten habe ich durchgehört, bis sie völlig zerkratzt waren.

Ich schätze die Liberalität und Weltoffenheit der Rheinländer. Auch im Ruhrgebiet, wo ich die längste Zeit meines Lebens gelebt habe, sind die Menschen grundsätzlich tolerant. Aber eben auch, sorry, manchmal etwas prollig. Und das mochte ich dort nicht so.

Mit dem Karneval und der Feierfreudigkeit der Menschen habe ich – bisher – noch keine großen Berührungspunkte gehabt. Aber das kann sich ja ändern.

Ich fühle mich hier wohl.

Willy Brandt, Alfred Herrhausen, die 68er, ich und mein Vater

Gerade eben sah ich im TV eine Dokumentation über Willy Brandt. Ich kannte sie zwar schon, aber in mir entstand sofort der Wunsch, mal wieder nach Bonn, der alten Bundeshauptstadt und seiner alten Wirkungsstätte, zu fahren.

Als der ehemalige SPD-Kanzler 1992 starb, war ich elf Jahre alt. Ich erinnere mich, dass bei uns daheim der „SPIEGEL“ mit seinem Konterfei lag. Ich fragte meinen Vater, ob er traurig sei, dass Willy Brandt gestorben sei, und er erwiderte, ja, da sei er traurig.

Später erzählte er mir, wie sie 1972 „Willy wählen“ - Plakate aus den Fenstern ihres Studentenwohnheims in Göttingen gehängt hatten. Göttingen war ohnehin eine Hochburg der erfolgreichen Nach-68er-Politiker. Hier studierten zu Zeiten meines Vaters auch Gerhard Schröder und Jürgen Trittin.

Bei allen Widersprüchen, die diese Aufbruchs-Generation mit sich trägt. Da war zum Beispiel der Terrorismus der RAF-Jahre, der ja auch eine der Folgen der kulturellen Revolution von „1968“ war.

Als ich in Frankfurt studierte, war ich einmal auf den Spuren des von der RAF ermordeten Ex-Deutsche-Bank-Chefs Alfred Herrhausen. Der stammte aus Essen, wo auch ich die meiste Zeit meines Lebens verbracht habe. Ich fuhr nach Bad Homburg. Und stand plötzlich an der Stelle, an der er 1989 gestorben war. Dort stand eine Gedenkstätte mit einem Kranz des damals noch lebenden Ex-Kanzlers Helmut Kohl.

Ich bin nicht dorthin gefahren, weil ich mit den Ideen der terroristischen Verbrecher sympathisierte. 

Im Gegenteil. Ich wollte verstehen.

Ich wollte verstehen, wie die alte Bundesrepublik vor 1989, in der ich aufgewachsen bin, tickte. Ich hatte die Filme „Todesspiel“ von Heinrich Breloer und „Black Box BRD“ von Andreas Veiel gesehen. Letzterer beleuchtet die Leben von Alfred Herrhausen und des Terroristen Wolfgang Grams parallel. Und ich war tief erschüttert.

Um nun auf meinen Vater zurück zu kommen, den von der demokratischen Seite der Nach-68er-Bewegung geprägten SPD-Anhänger und kritischen Journalisten, der er immer war - es gibt Vieles, was ich meiner Elterngeneration vorwerfen kann. 

Aber eines nicht:

Sie wollten es besser machen, als ihre eigene Elterngeneration. Sie wollten mit den Schatten der Vergangenheit aufräumen und sich davon demokratisch distanzieren.

Das rechne ich ihnen hoch an.