Ein Phänomen des 21. Jahrhunderts ist der allgegenwärtige Narzissmus.
Der Narziss, der sich selbst über alle und alles andere
stellt.
Ich gebe es zu: Ich beobachte an mir eine zunehmende Selbstbezogenheit,
seitdem ich einen Gutteil des Tages vor dem PC, am Laptop oder am Smartphone
hänge. Beobachte an mir, dass ich ungeduldig werde, wenn andere mir – meiner Meinung
nach - nicht genügend Aufmerksamkeit schenken.
Das ist schlecht – und gut zugleich.
Instagramer, TikToker, YouTuber, Influencer, Twitterer, Podcaster
und Blogger gab es bis vor wenigen Jahren nicht. Jeder kann Sender sein, passend
zum YouTube-Motto „Broadcast Yourself!“. Jeder kann sich online nach Lust und Laune
austoben. Sich selbst oder sein Lieblingsthema präsentieren.
Zumindest dort, wo es keine Zensur gibt.
„Früher“ gab es die Promis, die sich in den alltäglichen
TV-Magazinen, Zeitungen und Zeitschriften selbst darstellten. Man konnte, als
Bürger, einen Leserbrief an die Zeitung schicken, oder machte bei einem Offenen
Kanal oder im Bürgerfunk mit. Machte mal ein Praktikum bei einem Medium.
Das war alles. Das Internet hat die alten Zustände pulverisiert.
In den klassischen Medien werden zumeist die Gefahren
betont, die der Online-Narzissmus mit sich bringt. Da geht es um Rechtsradikale,
die gegen Minderheiten hetzen. Um Querdenker, die Kriminalität im Darknet, Verschwörungstheoretiker,
Fake-News-Produzenten aus aller Welt. Politiker, die ihre antidemokratischen
und menschenfeindlichen Botschaften verbreiten, und auch noch gewählt
werden. Und ähnlich zwielichtige Geschöpfe.
Das ist alles soweit richtig.
Jedoch hat der grenzenlose Narzissmus auch Vorteile. Kommunikation
ist von jedem Ort der Welt aus möglich. Minderheiten können sich vernetzen,
Communities bilden und eine Öffentlichkeit herstellen. Jeder kann sich über
jedes denkbare Thema und in jeder denkbaren Sprache informieren. In
diktatorisch regierten Ländern kann das Internet Freiheiten vermitteln, die
offline nicht zu erreichen sind.
Zumindest dort, wo es keine Zensur gibt.
Auch das ist ein Teil des modernen, allgegenwärtigen Narzissmus.
Dass wir uns
auch ein Stück näherkommen.
NACHTRAG: Nachdem ich diesen Blogbeitrag geschrieben habe, habe ich überprüft, ob meine Webseite in Russland gesperrt ist. Sie war es zunächst nicht.
Plötzlich dann aber doch. Schade.
Lag es daran, dass ich diesen Beitrag geschrieben habe, oder dass ich es überprüft habe?
Ich weiß es nicht.