18.2.24

Warum ich an unsere Werte glaube. Trotz allem.

 Im Studium habe ich viel über Europa gelernt. Über die Anfänge der europäischen Einigung nach 1945, über seine Werte, sein Selbstverständnis.

Aktuell fordern viele Europäer, angesichts der Bedrohung durch China und Russland, und angesichts des möglichen Comebacks Donald Trumps in den USA, Europa müsse sich emanzipieren. Militärisch, politisch und wirtschaftlich.

Ist die NATO ohne eine Sicherheitszusage der USA noch etwas wert? Kann die EU ihre demokratischen Werte in einer multipolaren, zunehmend autoritären, Weltordnung verteidigen? Was geschieht mit den vielen Flüchtlingen, die sich aufmachen, und ihr Leben aufs Spiel setzen, um in Europa ein besseres Leben zu finden? Alles schwierige Fragen.

Ja, wir müssen unsere Grenzen schützen. Ja, wir müssen unsere Werte im Auge behalten. Ja, wir müssen uns politisch und militärisch autarker machen – ob dabei allerdings Atomwaffen die richtige Antwort sind, bezweifle ich.

Diese Woche machen die Magazine „stern“ und „SPIEGEL“ mit Joe Biden, bzw. Donald Trump, auf. Joe Biden wird als Greis karikiert, der nicht mehr fähig ist, ein Land zu führen. Donald Trump wird als radikaler Nationalist dargestellt, der „uns“ in Europa im Zweifelsfall über die Klinge springen lassen würde. Wird es so kommen?

Ich sage es so: Ich bin mit dem Herzen Optimist.

Mein Herz sagt mir, dass wir in Europa schon viele internationale Krisen durchgestanden haben, die sich letztlich doch gelöst haben. Das Beispiel der Entspannung durch die Ereignisse 1989 bis 1991 zeigt, dass die führenden Köpfe in der Welt im Zweifelsfall doch nachgeben und auf Entspannung setzen. Auch, wenn Francis Fukuyamas Worte vom „Ende der Geschichte“ nach dem Ende des „Eisernen Vorhangs“ dann doch eine Fehleinschätzung waren.

Ich glaube an die Werte von Demokratie, Freiheit, Einigkeit und Gleichheit. Trotz allem.

17.2.24

Childhood Memories: Mein Trip zum verhüllten Reichstag

Mitte der Neunziger war Berlin zwar Hauptstadt, aber noch kein Regierungssitz.

Als Christo 1995 den Reichstag verhüllte, entschied mein Vater spontan, nach Berlin zu fahren. Er buchte eine Nachtzugfahrt und eine Unterkunft. Bereits wenige Tage später – es waren Schulferien, und es war sommerlich warm – packten wir unsere Koffer.

Abends stiegen wir am Hauptbahnhof in den DB-Nachtzug. Es waren Liegewagen. Ich erinnere mich, dass ich nachts aufwachte, und mit einem Blick aus dem Fenster erstaunt feststellte, dass der Zug in Hannover pausierte. Und zwar stundenlang. So lange war die Fahrt vom Ruhrgebiet in die Hauptstadt offenbar nicht, dass es für eine durchgängige Nachtreise gereicht hätte. 

Jedenfalls, als ich aufwachte, durchfuhren wir gerade Brandenburg. Morgens kamen wir am Bahnhof Zoo an. Ich hatte meinen Kopfhörer auf, und hörte meinen Berliner Lieblingssender Radio B Zwei (den es nicht mehr gibt), während wir die BVG zu unserer Unterkunft nutzten (wo die war, weiß ich nicht mehr).

Dann ging es zum verhüllten Reichstag und zum Fernsehturm, die üblichen Sehenswürdigkeiten in Mitte abgrasend. Meine Schwester war wenig begeistert von unserem Trip. Aber ich, da ich bereits ein Jahr zuvor mit meinem Vater in der Hauptstadt gewesen war, genoss das Touristentreiben - was ich heute, in der Form, nicht mehr tue.

Wir schossen Erinnerungsfotos und besuchten noch das Pergamonmuseum.

Nach wenigen Tagen ging es dann auch schon wieder zurück in die Heimat.

Lange ist’s her.

14.2.24

Der Begriff „System“

In letzter Zeit habe ich den Begriff „System“ mehrmals gebraucht.

Er wird oft, fälschlicherweise, allein der politischen Rechten zugeordnet, die damit ihre Ablehnung gegen unseren demokratischen Staat ausdrückt. Das ist genauso falsch, wie die Tatsache, dass das Wort „Regime“ im allgemeinen Sprachgebrauch und in den Medien nur für diktatorische Regierungen verwendet wird. In Wahrheit ist „Regime“ ein neutraler Begriff, der für alle Regierungen eingesetzt werden könnte – wenn man es denn täte.

Nun, Niklas Luhmann unterscheidet in seiner „Systemtheorie“ Mikro- und Makrosysteme. Ein Mikrosystem ist etwa eine Liebesbeziehung, ein Makrosystem ist etwa ein Rechtssystem. Man kann das vergleichen mit der Mikro- und Makroökonomie. Oder, natürlich, mit der Mikro- und Makrosoziologie.

Luhmanns Werk ist nicht einfach zu verstehen; einen Zugang für Außenstehende zu finden, ist nicht leicht. Ich empfehle jedem, der sich damit beschäftigen will, erst mal den entsprechenden Wikipedia-Artikel zu lesen (obwohl Wikipedia an Universitäten „nicht zitierfähig ist“, worauf ich während meiner Studienzeit immer wieder hingewiesen wurde).

Luhmann und Jürgen Habermas - mit dem ich mich auch im Studium beschäftigte – waren sich in einigen Punkten nicht einig, und hatten auch eine Kontroverse. Luhmann lehrte in Bielefeld, Habermas in Frankfurt. Das sind zwei Universitäten mit renommierten sozialwissenschaftlichen Fakultäten.

Also: Bitte den Begriff „System“ nicht falsch verstehen, wenn ich ihn verwende.

(ERGÄNZUNG, 16.3.24: Prof. Philipp Felsch von der Humboldt-Uni Berlin bezeichnet Luhmann in einem Essay heute in der "Süddeutschen" als "antiidealistisch" und "neokonservativ". In Essen hörte ich etwas über Luhmann, in Frankfurt über Habermas. Ich würde mich nicht als Intellektuellen bezeichnen, oder behaupten, dass ich beide Theorien wiedergeben könnte - schließlich ist mein Studium auch schon wieder mehr als 15 Jahre her. 

Aber ich finde Streit zwischen "linken" und "rechten" Intellektuellen spannend. Ähnlich den Historikerstreit von 1986, in den Ernst Jünger und - wieder - Jürgen Habermas involviert waren.)  

29.1.24

Warum die Proteste gegen die AfD wichtig sind, und unsere Demokratie funktioniert

Ich sage es offen: Auch ich habe lange Zeit an unserem Staat gezweifelt. Und geglaubt, dass die Menschen nicht mehr bereit sind, ihre Rechte und Freiheiten zu verteidigen.

Die Demos in den letzten Tagen gegen die AfD haben mir Mut gemacht. Mut, noch einmal auf ihre Wichtigkeit hinzuweisen. Und den Glauben an unser "System" (wieder dieser kompromittierende Begriff) zurück gegeben.

Auch ich wäre gerne mitgegangen. Kann das nicht so einfach, weil mir Menschenmassen nicht so gut tun. Aber vielleicht werde ich es noch einmal tun.

Auch, dass ein AfD-Kandidat im umkämpften Thüringen verloren hat, und dass der Bundespräsident sich eingeschaltet hat, macht mir Hoffnung. Wir werden unser Land gegen die Extremisten verteidigen.

Davon bin ich überzeugt.

 

19.1.24

Die Krise der Sozialdemokratie – Die Krise des Konservatismus – Die Krise des Liberalismus

Im Urlaub im vergangenen Sommer las ich ein – recht sperriges und ausschweifendes – Buch des Frankfurter Politologen Thomas Biebricher über die Krise des Konservatismus.

Er führte, neben der Krise der deutschen Christdemokraten, als Beispiele auch Frankreich, Italien und Großbritannien an. Auch in diesen Ländern sind konservative Parteien in der Krise, teils sind sie ganz verschwunden. Konservatismus, wie ihn Kanzler Kohl 1982 noch mit der „geistig-moralischen Wende" propagierte, sei mittlerweile einem reinen und schlichten Traditionalismus gewichen, so Biebricher.

Länger bekannt ist die Krise der linken Parteien. Über die SPD-Krise wurde zu den Zeiten, in denen sie Juniorpartner in Merkels Großer Koalition war, häufig und intensiv diskutiert. Es wurde bezweifelt, dass sie jemals wieder eine Regierung anführen werde. Was dann allerdings doch geschah. Auch „ganz weit links“, in Gestalt der Partei „DIE LINKE“, ist in einer Krise. Die ist aber, im Gegensatz zur SPD, existenziell. 

Auch der Liberalismus ist in der Krise. Nehmen wir die FDP. Sie war von der Gründung der Bundesrepublik 1949 bis zum Ende der ersten GroKo 1969 nationalliberal. In den Zeiten der SPD-FDP-Koalition von 1969 bis 1982 war sie dann sozialliberal. Seit 1982 ist sie eigentlich nur noch wirtschaftsliberal. Auch, wenn sie zurzeit mit SPD und Grünen regiert – dafür ist sie in Umfragen mal wieder unter die Fünf-Prozent-Hürde gerutscht.

Lange Jahre waren, zumindest in Deutschland, „Bündnis 90/Die Grünen“ der Gewinner der Krise von linken, rechten und liberalen Parteien. Sie fuhren einen Wahlerfolg nach dem Anderen ein Zwar sind sie immer noch erfolgreich. Doch man merkt dem Bundeswirtschaftsminister von den „Grünen“ an, wie er mit sich und seinem Amt kämpft. Dass seine „Masche“, die lange funktioniert hat, in der Krise so recht nicht mehr funktionieren will. Ob die Regierung bis 2025 hält, weiß zurzeit niemand.