27.3.24

Warum die Schuldenbremse gestrichen werden sollte

Das Wachstum soll 2024 nur magere 0,1 Prozent betragen, vermelden heute die führenden Wirtschaftsforscher der Nation. Vorher war man noch von einigermaßen okayen 1,3 Prozent ausgegangen.

Wie soll der Staat nun die Wirtschaft ankurbeln?

Wirtschaftsminister Habeck hat dazu einige Pläne angedacht. Allerdings dürften diese mit Lindners FDP nicht kompatibel sein. So wird es wohl beim „Wachstumschancengesetz“, oder wie dieses Wortungetüm heißt – ich habe es nicht gegoogelt - , bleiben.

Ein weiterer Punkt wäre die Aussetzung der Schuldenbremse. Mit Rot und Grün wäre das machbar, aber nicht mit Gelb. Und schon gar nicht mit Schwarz und Blau.

Die Befürworter der Schuldenbremse gehen dabei von zwei maximalen Fehleinschätzungen aus.
Man – der Staat - kann sich aus einer Wirtschaftskrise nicht „heraus sparen“. Und, anders, als viele Fachleute suggerieren, wird man – der Staat - auch durch Sparen nicht reicher.

Stattdessen müsste man antizyklisch handeln, „deficit spending“ betreiben, Geld durch staatliche Investitionen in die Wirtschaft pumpen. Es muss ja nicht gleich ein ganzes, teures Konjunkturprogramm, wie in den 1970ern, sein.

Und zur Überschrift: Ich kann es nur noch einmal schreiben, wie ich es an dieser Stelle mehrfach geschrieben habe. Ich bin kein Verfassungsjurist. Aber gibt es ein „Grundrecht auf einen schuldenfreien Haushalt“? Ein Grundrecht, das sogar im Grundgesetz verankert sein muss?

Gewiss, die Befürworter der Schuldenbremse werden jetzt sagen, sie sei ein Beitrag zur Generationengerechtigkeit. Damit „wir“ den nachfolgenden Generationen keinen Schuldenberg hinterlassen.

Das ist damit aber noch lange kein Grundrecht, wie Meinungs-, Versammlungs-, oder Redefreiheit. 

Es ist Zeit, daran zu schrauben. Wie es die führenden Wirtschaftsforscher heute – zumindest behutsam – ja auch angeregt haben.

21.3.24

Wer soll das alles schauen, hören und lesen?

Mittlerweile konkurrieren in Deutschland zig Streamingdienste um die Gunst des Publikums. Dort findet man in der Regel aktuelle, alte und neue Produktionen. Aber auch viel Durchschnitt und zig mal Gesehenes. Oftmals laufen Filme bei gleich mehreren Diensten.

Auch der Audiomarkt ist umkämpft. Gefühlt macht jeder Zweite bei uns einen Podcast. Von Lebenshilfe über Crime bis Current Affairs ist alles dabei. Die Auswahl ist schier unendlich.

Wenn man früher in ein Buchgeschäft ging, und einen Krimi suchte, fand man in der Regel ein Regal voll davon. Mittlerweile sind die wenigen verbliebenen großen Buchhändler mit Massen an Krimis überfüllt. Ich gebe bei der Suche danach in Buchhandlungen meist sofort auf, angesichts des unüberschaubaren Angebots.

Es ist seltsam. Klassische Medienjobs werden immer rarer und umkämpfter. Gleichzeitig steigt das Medienangebot rasant an. Ein Ende des Wachstums ist nicht in Sicht. Lediglich die gedruckte Presse baut ab. Als ich neulich durch eines der großen Magazine blätterte, fand ich darin kaum Anzeigen. Wer noch die dicken, mit Werbung gut gefüllten Zeitschriften und Magazine bis in die 1990er-Jahre kennt, weiß, wie sich das geändert hat.

Nur: Ich fürchte, beim TV, Streaming und Podcasts baut sich eine Blase auf. Wer soll das alles konsumieren? Es muss einen Markt dafür geben, und die Aufmerksamkeitsökonomie ist nicht unbegrenzt ausbaubar. Auch Werbeeinnahmen sind endlich.

Es wird wohl bald eine Marktkonsolidierung stattfinden.

18.2.24

Lesen, Selbsterfahrung und das „Innere Kind“

 Als Mitarbeiter einer Zeitung darf ich dessen E-Paper kostenlos lesen.

Mein Arbeitgeber bietet dem zahlenden Leser darüber hinaus auch Zugriff auf diverse Magazine.

Ich bin eine Leseratte, wie viele Blogger. Ein News-Junkie, wie ich hier schon einmal schrieb.

Ich lese Bücher, Zeitungen und Magazine. Wobei, momentan mehr Zeitungen und Magazine, als Bücher, denn ich habe so viele neue Bücher in meinem kleinen Reich herum liegen, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll.

Eines der Magazine, die mein Arbeitgeber mir zu Verfügung stellt, enthält diese Woche ein Interview mit einer Psychologin, die über Selbsterfahrung durch Psychotherapie, und die Auseinandersetzung mit dem „Inneren Kind“, befragt wird.

Sie kritisiert, dass zu viele Menschen „um sich selbst kreisen“, und Psychotherapie und Selbstbeschäftigung als Selbstzweck sehen, um zu einer Erkenntnis hin zu einem besseren Leben zu gelangen. Dafür sei Psychotherapie allerdings nicht da. Sie solle Kranken helfen, um gesund zu werden.

Das „Innere Kind“. Etwas, über das ganze Bücher geschrieben werden, und mit dem sich viele heutzutage in der zunehmend enttabuisierten Psychotherapie beschäftigen.

Was ist das „Innere Kind“? Auch ich habe mich damit schon beschäftigt.

Als ich vor etwas mehr als zwei Jahren anfing, Schlagzeug zu spielen, sagte ich meinem Lehrer nach der ersten Stunde, ich fühlte mich wieder jung. Dreißig Jahre jünger. Weil es genau das ist, was ich als Kind immer machen wollte.

Also eine positive Erfahrung.

Als meine Eltern vor weniger als zwei Jahren starben, fühlte ich mich schutzlos. Wie ein Elfjähriger, der den plötzlichen Tod seiner Schützenden verkraften musste.

Also eine negative Erfahrung.

Ich versuche es mal, aus meiner Sicht, zu formulieren. Ich bin kein Psychotherapeut, kann diesen Zustand also nur subjektiv beschreiben.

Für mich ist es, im Grunde genommen das Gleiche, nur unter verkehrten Vorzeichen:

Man fühlt sich wieder jung, weil man etwas tut, was man als Kind schon gerne wollte.

Man fühlt sich wieder jung, weil man die eigenen Eltern verliert, und plötzlich alleine, ohne sie, dasteht.

Damit verbunden ist die Auseinandersetzung mit dem „Inneren Kind“.

Das Alter rückt näher, gleichzeitig fühlt man sich, durch äußere Anlässe, zurück versetzt.

Das „Innere Kind“ möchte schreien vor Freude oder Trauer, wahlweise. 

Gleichzeitig mahnen dich Vernunft und Erfahrung, sich wie ein Erwachsener zu gebären.(ERGÄNZUNG, 26.5.24: Es muss natürlich "gebärden" und nicht "gebären" heißen, sorry).

Man wird älter und jünger, zugleich.

Ich habe es so beschrieben, wie ich es momentan empfinde. 

Warum ich an unsere Werte glaube. Trotz allem.

 Im Studium habe ich viel über Europa gelernt. Über die Anfänge der europäischen Einigung nach 1945, über seine Werte, sein Selbstverständnis.

Aktuell fordern viele Europäer, angesichts der Bedrohung durch China und Russland, und angesichts des möglichen Comebacks Donald Trumps in den USA, Europa müsse sich emanzipieren. Militärisch, politisch und wirtschaftlich.

Ist die NATO ohne eine Sicherheitszusage der USA noch etwas wert? Kann die EU ihre demokratischen Werte in einer multipolaren, zunehmend autoritären, Weltordnung verteidigen? Was geschieht mit den vielen Flüchtlingen, die sich aufmachen, und ihr Leben aufs Spiel setzen, um in Europa ein besseres Leben zu finden? Alles schwierige Fragen.

Ja, wir müssen unsere Grenzen schützen. Ja, wir müssen unsere Werte im Auge behalten. Ja, wir müssen uns politisch und militärisch autarker machen – ob dabei allerdings Atomwaffen die richtige Antwort sind, bezweifle ich.

Diese Woche machen die Magazine „stern“ und „SPIEGEL“ mit Joe Biden, bzw. Donald Trump, auf. Joe Biden wird als Greis karikiert, der nicht mehr fähig ist, ein Land zu führen. Donald Trump wird als radikaler Nationalist dargestellt, der „uns“ in Europa im Zweifelsfall über die Klinge springen lassen würde. Wird es so kommen?

Ich sage es so: Ich bin mit dem Herzen Optimist.

Mein Herz sagt mir, dass wir in Europa schon viele internationale Krisen durchgestanden haben, die sich letztlich doch gelöst haben. Das Beispiel der Entspannung durch die Ereignisse 1989 bis 1991 zeigt, dass die führenden Köpfe in der Welt im Zweifelsfall doch nachgeben und auf Entspannung setzen. Auch, wenn Francis Fukuyamas Worte vom „Ende der Geschichte“ nach dem Ende des „Eisernen Vorhangs“ dann doch eine Fehleinschätzung waren.

Ich glaube an die Werte von Demokratie, Freiheit, Einigkeit und Gleichheit. Trotz allem.

17.2.24

Childhood Memories: Mein Trip zum verhüllten Reichstag

Mitte der Neunziger war Berlin zwar Hauptstadt, aber noch kein Regierungssitz.

Als Christo 1995 den Reichstag verhüllte, entschied mein Vater spontan, nach Berlin zu fahren. Er buchte eine Nachtzugfahrt und eine Unterkunft. Bereits wenige Tage später – es waren Schulferien, und es war sommerlich warm – packten wir unsere Koffer.

Abends stiegen wir am Hauptbahnhof in den DB-Nachtzug. Es waren Liegewagen. Ich erinnere mich, dass ich nachts aufwachte, und mit einem Blick aus dem Fenster erstaunt feststellte, dass der Zug in Hannover pausierte. Und zwar stundenlang. So lange war die Fahrt vom Ruhrgebiet in die Hauptstadt offenbar nicht, dass es für eine durchgängige Nachtreise gereicht hätte. 

Jedenfalls, als ich aufwachte, durchfuhren wir gerade Brandenburg. Morgens kamen wir am Bahnhof Zoo an. Ich hatte meinen Kopfhörer auf, und hörte meinen Berliner Lieblingssender Radio B Zwei (den es nicht mehr gibt), während wir die BVG zu unserer Unterkunft nutzten (wo die war, weiß ich nicht mehr).

Dann ging es zum verhüllten Reichstag und zum Fernsehturm, die üblichen Sehenswürdigkeiten in Mitte abgrasend. Meine Schwester war wenig begeistert von unserem Trip. Aber ich, da ich bereits ein Jahr zuvor mit meinem Vater in der Hauptstadt gewesen war, genoss das Touristentreiben - was ich heute, in der Form, nicht mehr tue.

Wir schossen Erinnerungsfotos und besuchten noch das Pergamonmuseum.

Nach wenigen Tagen ging es dann auch schon wieder zurück in die Heimat.

Lange ist’s her.