5.12.24

Sven Kroll zu Gast beim „Kölner Treff“ (WDR)

Meine Mutter schaute in den Jahren vor ihrem Tod regelmäßig die Nachmittagssendung „hier und heute“. Das war ihr tägliches Programm. Danach die Nachrichten im WDR, im ZDF und schließlich um 20.00 Uhr die „tagesschau“.

Sie war fernsehlos groß geworden. War froh, als in ihrer Heimat alle den „Zauberspiegel“ bekamen, damit die Menschen ihn als Fenster zur Welt entdecken konnten, wie sie mehrmals erzählte. Daher kannte und schaute sie nur „erstes, zweites und drittes Programm“.

Auch den „Kölner Treff“ sah sie regelmäßig. Zu Gast war dort am vergangenen Freitag der Moderator Sven Kroll, der eine ungewöhnliche Familiengeschichte erzählte.

In seiner Jugend hatte sein Vater den Kontakt zu ihm, seinem Bruder und seiner Mutter abgebrochen, eine neue Familie gegründet. Den Kontakt zu seiner Mutter hatte Kroll dann viele Jahre später selbst beendet, weil sie kein Interesse an seiner Person zeigte.

Ich musste, als ich das sah, an meine Eltern denken.

Die meiste Zeit meines Lebens hatte ich ein gutes Verhältnis zu ihnen. Sonst hätte ich nicht so lange für sie gesorgt. Ich gebe aber zu, dass ich oft daran dachte, meine Siebensachen zu packen und einfach abzuhauen. Aber dann hätte ich meinen demenzkranken Vater und meine herzkranke Mutter im Stich lassen müssen.

Und das brachte ich nicht übers Herz.

Um den Faden zurück zu Sven Kroll zu führen - auch ich stand und stehe ständig unter Leistungsdruck. Den habe ich schon als Jugendlicher gespürt. Aber so weit, den Kontakt zur Familie abzubrechen, ging es bei mir nicht.

Ich bin jetzt frei. Und diese Freiheit – um einen Werbespot zu zitieren – nehme ich mir.

4.12.24

Lesetipp: Jürgen Kocka, Geschichte des Kapitalismus (München, 2013)

Ich habe schon viele Bücher aus der Reihe "C. H. Beck Wissen" gelesen. Bereits im Studium. Diese Reihe bietet Wissen kompakt auf meist nicht mehr als 200 Seiten.

Aber dieses Buch finde ich besonders spannend.

Es behandelt die Entwicklung des Kapitalismus von seinen Ursprüngen an. Handelt von den großen Denkern wie Smith, Marx und Schumpeter, bis hin zum globalen Finanzkapitalismus der Gegenwart im 21. Jahrhundert.

Eine These finde ich besonders interessant. Jürgen Kocka, der mal Leiter des staatlichen Wissenschaftszentrums Berlin (WZB) war, schreibt, dass die These, dass sowohl protestantisch-calvinistische Arbeitsethik, als auch die Tradition jüdischer Banker- und Kaufmannsfamilien, mit der Entwicklung und Ausprägung des modernen Kapitalismus viel zu tun haben, falsch ist. 

Dass Protestanten und Juden besonders intensive Kapitalisten seien, sei mittlerweile wissenschaftlich widerlegt. Damit widerspricht er auch dem Klischee des "white anglo-saxon protestant" in den USA und antisemitischen Vorurteilen.

Die momentane Situation unserer Wirtschaftsordnungen habe vielmehr etwas mit den Deregulierungs- und Entfesselungstendenzen seit den 1980er-Jahren zu tun. Der heutige globale Finanzkapitalismus habe mit der Politik Reagans und Thatchers seinen Anfang genommen.

Anderen Staaten haben sich dem angelsächsischen Wirtschaftsmodell angeglichen, weil es mit hohen Gewinnen lockte, und zugleich die "Gier" (nehmen wir mal diesen negativ konnotierten Begriff) des Menschen nach Reichtum belohnte. 

Das habe ich hier an anderer Stelle ja auch schon einmal geschrieben. 

27.11.24

Warum die Öffentlich-Rechtlichen dringend an ihrem Programm schrauben müssen

Ich schaue regelmäßig Öffentlich-Rechtlich. Gehöre damit wohl zu den älteren Zuschauern, da ich auch kein Streaming-Abo besitze.

Immer öfter erwische ich mich beim Schauen von ARD alpha, 3sat und arte. Tagesschau24 schaue ich als News-Junkie sowieso regelmäßig. Das können sie gut, die Öffis: Information und Bildung. 

Unterhaltung weniger.

Die Hauptprogramme von ARD und ZDF bestehen - was Unterhaltung angeht - aus Krimis, Kochshows, Quizshows, Telenovelas und bis zu sechs Mal die Woche aus „Bares für Rares“. 

Ziemlich dürftig für ein Millionenunternehmen.

Die Ministerpräsidenten der Länder, zuständig für Medien, wollen eine Reduzierung der TV- und Radioprogramme. Zugleich klagen ARD und ZDF momentan vor dem BVerfG für eine Beitragserhöhung.

Ziemlich verfahrene Situation.

Allerdings: Wer braucht Sender wie „ARD one“ (mit einem kaum messbaren Marktanteil) und das auf YouTube, Instagram und weiteren Online-Plattformen verteilte Jugendangebot „funk“?

Sparpotenzial wäre da. Und ich könnte mir auch vorstellen, auf einige öffentlich-rechtliche Angebote zu verzichten...wäre da nicht das Programm der Privaten so dürftig.

Einzig n-tv und WELT bieten ein den öffentlichen Informationssendern einigermaßen ebenbürtiges Konkurrenzangebot. Und die ewigen Dokumentationen auf den Streamingdiensten über amerikanische Innenpolitik bieten auch kein adäquates Gegenprogramm zu ZDF-info-Dokus.

Also: Nehmt Euch ein Vorbild an der BBC, ARD und ZDF! Deren Vorgabe lautet: „to inform, to educate and to entertain“.

Dann klappt’s auch wieder mit den Zuschauern.

11.11.24

Dear USA. What is going on in your country?

Dear USA.

For decades, you were the shining example for our country and our continent.

You taught us democracy.

You helped building us up again after two terrible world wars.

You gave us Hollywood movies, Rock’n’Roll, Hip Hop, Blue Jeans and Coca Cola.

You set the tone in our society.

You were the Land of the Free.


And now?


You have voted for a president who doesn’t care for democratic institutions.

A president with German roots. Roots for which I’m ashamed.


When I first visited your country some years ago, I took a taxi from the airport to my hotel.

When I saw kids playing basketball in back streets, I knew that I was in the US.

How excited I was!


You are the oldest democracy in the world.

You had the chance to go with a black woman into the future. You decided yourself for the past.

I hope that your country and Germany and Europe as an ally will get over Mr. Trump’s presidency in four years.


Let’s hope for the best.


Yours

Stefan 

7.11.24

Kommentar: Zum Ampel-Aus

Als die Ampel vor drei Jahren ins Amt kam, verband sich damit für Einige die Hoffnung, dass die bleiernen Jahre der Großen Koalition bald durch Reformeifer ersetzt werden würden.

Die Bilder der Koalitionsverhandlungen machten Mut, weil alle drei Parteien darauf erpicht waren, keine Indiskretionen in Richtung Medien zuzulassen. Alles sollte seriös eingefädelt werden.

So ging es los.

Am Ende schienen die Widersprüche in der Finanz-, Wirtschafts-, Steuer- und Sozialpolitik unüberbrückbar. Verglichen wird das gerne mit dem Ende der sozial-liberalen Koalition 1982, als das „Lambsdorff-Papier“ die „Wende“ einleitete. Daran dachte der FDP-Chef wohl bei seinem „Lindner-Papier“.

Die Aussagen von Kanzler Scholz und Finanzminister Lindner über das, was da gestern Abend im Kanzleramt geschah, sind gegensätzlich. Der Eine beschuldigt den Anderen, für das Scheitern der Regierung verantwortlich zu sein.

Wie es wirklich war? Das werden wir wohl nicht erfahren.

Wie Christian Lindner in einer solchen Situation, angesichts des Trump-Wahlsiegs in den USA und der Wirtschaftskrise, Maximalforderungen stellen konnte, verstehe ich nicht. Er wusste, dass diese Forderungen mit Rot und Grün nicht umsetzbar waren. 1982 war das übrigens anders. Die FDP war das „Zünglein an der Waage“, musste nur die Seiten wechseln. Eine solche Option hat sie heute nicht.

Die FDP hatte unter Christian Lindner 2017 die Chance, mit ihrem Wunschpartner, der Union, und den Grünen zusammen zu regieren. Diese Verhandlungen ließ Lindner platzen mit dem vielzitierten Satz, es sei „besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren“. Mit der Union als Regierungspartner hätte die FDP viel mehr von ihrem rechtsliberalen Programm durchsetzen können, als in der Koalition mit SPD und Grünen. Dennoch entschied sie sich damals gegen eine Regierungsbeteiligung.

Und jetzt?

Wenn wir annehmen, dass es Lindners Verantwortung ist, dass die Ampel-Regierung geplatzt ist – dann wäre das Selbstmord aus Angst vor dem Tod. Die FDP steht in Umfragen bei vier Prozent. Sie wäre also bei einer vorgezogenen Bundestagswahl nicht mehr im Parlament vertreten.

Für die Wunschkoalition Schwarz-Gelb wird es nicht reichen...

Wenn wir annehmen, dass es Scholz’ Verantwortung ist, dass die Ampel-Regierung geplatzt ist – dann dürfte das die SPD bei einer möglichen Neuwahl in die Opposition schicken. Es sei denn, es käme wieder zu einer GroKo. Die viele in der Union scheinbar gerne hätten.

Was uns zurück zur FDP führt...

Wie es auch war – das Ende der Ampel bedeutet nicht das Ende der Demokratie. Für das nun folgende Verfahren gibt es feste Regeln, die das Grundgesetz vorsieht.

Amerikanische Verhältnisse werden wir nicht bekommen.